Vom Ringen mit der Vergangenheit

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michabraun Avatar

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Bei Vorablesen habe ich ein Leseexemplar von Bernhard Schlinks neuem Buch "Die Enkelin" gewonnen. Das Buch erscheint bei Diogenes am 27. Oktober 2021. Für mich ist es tatsächlich das erste Buch, das ich von Schlink lese, einige Verfilmungen seiner Bücher habe ich aber natürlich gesehen. Man merkt gleich, dass hier jemand schreibt, der schreiben kann. Absolut souverän führt der Autor durch die Geschichte. Kaspar findet seine Frau Birgit tot in der Badewanne. Sie war vor vielen Jahren zu ihm in den Westen geflohen. Sie hatten ihr Leben zusammen verbracht und doch war sie ihm in vielem fremd geblieben, unnahbar und hatte ihren Schmerz mehr und mehr mit Alkohol betäubt. Ein Schmerz, von dem er erst nach ihrem Tod erfährt. Birgit hat kurz vor ihrer Flucht eine Tochter geboren, die Kaspar nun zu suchen beginnt. Die Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft und zu einer Enkelin, die er ein sein Leben holt. Das Ringen Kaspars um seine Enkelin, sein Wunsch ihr nahe zu sein und gleichzeitig seine Abscheu vor ihren Überzeugungen und den Gedanken, mit denen sie aufwächst, bilden den Kern des Buches. Um sich der Enkelin zu nähern, muss Kaspar ihrer Welt begegnen. Für Kaspar, aber auch für die Lesenden ist es nicht einfach, sich dieser Realität auszusetzen. Bernhard Schlink gelingt es sehr gut, die Ambivalenz seiner Hauptfigur deutlich zu machen und immer wieder Fragen zu stellen. Wie können wir mit dem Gedankengut der Rechten umgehen? Kann man überhaupt mit ihnen diskutieren? Ist ein Dialog mit Menschen möglich, die so sehr in ihrer Ideologie verhaftet sind? All das macht die "Die Enkelin" zu seinem sehr aktuellen Buch. Für mich sicher nicht das letzte Buch, das ich von Bernhard Schlink gelesen habe.