Zerrissenheit und Einsamkeit

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throki Avatar

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Vom Titelbild schaut sie die Leser an, in der hochgeschlossenen weißen Bluse und den streng zurückgekämmten Haaren: die Enkelin, die Kaspar nach langer Suche findet. Wieder einmal ein herausragendes Cover!
Kaspars Frau Birgit ist plötzlich nach langer Ehe gestorben, er bleibt einsam zurück. Zögernd beginnt er Birgits Nachlass zu sichten und findet dabei das Geheimnis, das sie alle Jahre über gehütet hat und das sie eventuell auch zu dem Menschen gemacht hat, der sie war: ungeduldig, unstet und schließlich Alkoholikerin. Denn vor ihrer Flucht in den Westen hat Birgit eine neugeborene Tochter in der DDR zurückgelassen, die sie Kaspar verschwiegen hat. Sie zögerte das inzwischen erwachsene Kind zu suchen, doch als Flucht vor seiner Einsamkeit macht sich nun Kaspar auf den Weg. Er findet Svenja in einer "völkischen Gemeinschaft" mit einem autoritären Ehemann und der 14jährigen Tochter Sigrun irgendwo in Brandenburg. Mit der Hilfe des Erbes von Birgit "erkauft" er sich Zeit mit Sigrun, sie lernt bei ihm eine andere Welt kennen. Musik, Theater, Bücher, Kino eröffnen ihr neue Perspektiven im Leben, stürzen sie aber auch in heftige Konflikte mit ihrem Vater.
Das Buch ist in dem für Schlink typischen etwas altmodischen Stil ("Er war's zufrieden", S. 80) aus der Sicht Kaspars geschrieben. Seine inneren Zerrissenheit beim Umgang mit der rechten Szene und Svenjas Familie ist glaubwürdig geschildert. Aber auch Sigruns Konflikte mit sich selbst und der Ideologie, in der sie aufgewachsen ist, beschreibt Schlink sehr einfühlsam. Dabei kommt er den Figuren sehr nahe, ohne übergriffig zu werden.
Mit hat auch der offenen Schluss gefallen, ein Happyend wäre unangemessen gewesen.
Wieder einmal ein sehr schönes Buch von Bernhard Schlink, das eher traditionell geschrieben ist, aber trotzdem oder gerade deswegen fasziniert.