Wunderschöne Hommage an das Leben

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thunderlight Avatar

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Als die Schriftstellerin Aliza Berg den Brief eines ihr unbekannten G. erhält, mit dem Auftrag in das Örtchen Litstein zu fahren, über die dort ansässigen Bewohner zu recherchieren und ein Buch über das Leben zu schreiben, ist sie Anfangs unangenehm berührt, geradezu verstört von der Vermessenheit des Briefeschreibers, von seiner Arroganz und Überheblichkeit ihr einen Auftrag zum Schreiben zu erteilen. Dennoch wagt sie das Experiment, steigt ins Auto und macht sich auf, um über das Leben anderer zu schreiben und dabei so viel mehr zu entdecken.

Bereits der Prolog des Romans, ein winziger Blick in das „später“, spielt mit den Gedanken des Lesers, erweckt die Ahnung auf etwas das geschehen könnte oder führt ihn völlig aufs Glatteis. 
Von Anfang an überwältigt der Roman durch unendlich einfühlsame, poetische Sprache, durch Feinheiten und skurrile Verrücktheiten, durch abstrakte Gedankengänge, sperrige Satzkonstruktionen, die immer wieder vor Herausforderungen stellen, zum anhalten und nachdenken zwingen, zum innehalten und erneuten Lesen. 
Dabei wechseln sich sanft plätschernde Episoden mit harten, fast bösartigen Paraden und verweben sich zu einem berührenden, bewegenden, irgendwie zarten und fast verletzlichem Ganzen. Unerwartete Wendungen, schnelle Wechseln im Erzähltempo und Sprünge in Zeit und Raum, reißen den Leser dabei mit und lassen Litstein zu einer neuen Heimat, die Figuren zu neuen Freunden werden. Das Lesen wird dabei zu einem erleben dessen und warten auf das was geschehen könnte.

Fast schon beiläufig schreibt Thomas Sautner dabei tiefgehend und sensibel über das Leben und Lieben der Bewohner eines kleinen, eingekreisten Flecks auf einer Landkarte. Über das Leben aller Bewohner. Dabei zeichnet er wunderschöne Bilder und schreibt so zart und leidenschaftlich, das man manchmal kaum mehr als ein paar Seiten am Stück lesen kann und dann wieder wie berauscht in der Geschichte versinkt und kaum noch unterscheiden kann zwischen Realität und Fiktion.

Seite 250/251: „Die Sehnsucht nach dem Wesentlichen, dem Unumstößlichen, dessen Existenz wir erhoffen, mitunter spüren, doch niemals in uns festzuhalten vermögen. Das Jetzt des Lebens. Das Jetzt-und-nie-wieder. Es auflesen, bewahren, Wort für Wort. Wie oft habe ich es versucht. Immer wieder freilich ist es mir […] Die Menschen hier lebten, wie sie überall in den hochzivilisierten Teilen unserer Welt lebten: Im Großen und Ganzen verbrachten sie ihr Leben, verwalteten es, als warteten sie darauf das es begänne. Tatsächlich lebten sie, als sehnten sie sich eben nicht nach dem Wesentlichen, dem Jetzt.“

„Die Erfindung der Welt“ ist ein ungewöhnlicher Roman über das Leben, das Sehen und Träumen, das Erleben und Erkennen, den Schein und das Sein, über Licht und Schatten und die Liebe. Eine Hommage an das Leben in all seinen Facetten und mit allem was dazu gehört. Ein Buch, das einen verändert und auf subtile Weise lange nachhallt. 
Der Klappentext verspricht „einen Roman über die Schönheit und den Wert des Lebens“, und, bei Gott, das ist er. Ein Roman, der dich dankbar sein lässt, dafür, dass es dich gibt.