Als der Louvre ein Saustall war...

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hennie Avatar

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Von Tom Hillenbrand habe ich schon einige Bücher gelesen. Ich kenne ihn als einen Autor, der unterschiedliche Themenbereiche und Genres bedient. Da sind seine kulinarischen Krimis um den Koch Xavier Kieffer, der Thriller um die Künstliche Intelligenz "QUBE" oder "Hologrammatica", ein SciFi-Thriller und vieles mehr. Er ist sehr vielseitig.

Auch in diesem Roman fällt mir sein angenehmer, flüssiger Schreibstil auf. Es dauerte aber dieses Mal eine Weile, bis ich mich in der Geschichte zurechtfand, da er sich verschiedener Erzählstränge bedient. Nach und nach werden die verschiedensten Personen in abwechselnden Kapiteln eingeführt. Die meisten sind weltbekannt und bei Wikipedia zu finden – der Maler Pablo Picasso, die Tänzerin Isadora Duncan, der Schriftsteller Guillaume Apollinaire u. v. mehr. Beim Nachlesen der Informationen über die Persönlichkeiten fiel mir auf, wie nahe am tatsächlichen Geschehen der Roman bleibt und wie real Hillenbrand diese Menschen agieren lässt. Wer hätte gedacht, dass Picasso damals zum Kreis der Verdächtigen gehörte? Ich wusste das nicht.

Drumherum um den Raub der La Gioconda (ital.) oder La Joconde (frz.) wird bildhaft eine Menge an Zeitkolorit eingebracht und das Ende der sogenannten Belle Époque beschrieben. Eine Gruppe gewalttätiger Revolutionäre spielt auch eine gewichtige Rolle. Dieser Strang erschien mir allerdings ein wenig zu lang, ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Da hätte eine Straffung des Geschehens gutgetan.

Die Handlung spielt hauptsächlich in Paris und beginnt im Jahre 1911 mit dem spektakulären, dreisten Kunstraub der damals noch relativ unbekannten Mona Lisa aus dem Louvre. Eine aufregende Jagd nach dem Gemälde setzt ein und endet ebenso aufsehenerregend 1913. Eine Besonderheit stellte für mich der erbarmungswürdige Zustand des Louvre dar, der den Diebstahl mehr als begünstigte. Auf S. 106 wird dieses Museum als Saustall bezeichnet. Die Situationen dort werden anschaulich und in Einzelheiten geschildert. Für mich auch eine Neuigkeit. Das fand ich sehr interessant.

Ich erlebte mit diesem Buch eine fesselnde, aufschlussreiche und vielschichtige Zeitreise in die Jahre 1911 bis 1913, in eine brodelnde, heftig pulsierende Stadt voller Umbrüche und mit rasanten Fortschritten. Paris war damals das Zentrum der modernen Welt. Das konnte ich intensiv in und zwischen den Zeilen spüren.
Grundlage für den Roman ist die sorgfältige Recherche der historischen Fakten durch den Autor, die ein lebendiges, detailreiches Abbild von Paris und seiner berühmten bzw. weniger berühmten Bewohner zeichnen.

Insgesamt gesehen ist für mein Empfinden der Roman mit seinen über 500 Seiten zu lang geraten. Zwischenzeitlich ließ die Spannung und damit meine Aufmerksamkeit nach, vor allem bei den Schilderungen zu den Revoluzzern und bei dem okkultischen Brimborium des Aleister Crowley.

Buchempfehlung: vier von fünf Sternen!