Warum nur unser Sohn?

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heike lohr Avatar

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Der pensionierte Polizist Franck überbringt einer Mutter die Nachricht über den Tod ihres verschwundenen Sohns. Die Frau findet sich Minuten oder Stunden später wieder sitzend neben sich ihren schweigenden Mann und muss erst langsam das Geschehen rekonstruieren. Friedrich Ani ist es gelungen, den Zustand des Schocks und der Trauer realitätsnah ohne Effekthascherei zu beschrieben. Indirekt und aus der Sicht der betroffenen Mutter, die langsam wieder in das Hier und Jetzt zurückkehrt, werden die Einzelbestandteile zusammengefügt. Wertschätzend fragt der ehemalige Polizist, ob sie einen Arzt braucht oder ob sie so mit der Situation fertig wird. Der Vater bleibt bleich und stumm sitzen, während sie sich bewegt. Seit etlichen Tagen war der Sohn verschwunden und die Todesnachricht führt zu der Frage, ob er ermordet wurde. Die ausweichende Antwort soll schonen, bis jetzt stehe es noch nicht fest, es müssen noch die Untersuchungen abgewartet werden. Doch im Hintergrund des mitfühlenden Pensionisten, der sich dieser Arbeit aus MItleid mit den HInterbliebenen verschrieben hat, steht eindeutig fest, dass durch grausame G ewalteinwirkung der Schüler verschied. Gleichzeitig sind die Verwandten des Ehepaares in eine Streitgespräch vertieft, was vielleicht durch diese traumatische Situation "Neffe entführt und wahrscheinlich ermordet" ausgelöst wurde. Wortreich erzählt und mehr als eine Beschreibung von Gefühlszuständen bietet diese ungemein berührende Leseprobe. Die langsame und indirekte Beschreibung der Charaktere sowie der gegebenen Situation machen aus diesem Kriminalroman ein wahrhaftig psychologisches und atmosphärisches Kunstwerk, das mit seiner geschliffenen Sprache und seine klugen Konstruktion den Appetit auf mehr macht.