Wenn das Glück ermordet wird

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bavaria123 Avatar

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Der elfjährige Lennard Grabbe verschwindet.
34 Tage danach wird seine Leiche gefunden. Was ist dazwischen passiert? Wie funktioniert das Weiterleben der Eltern, Angehörigen oder auch Nachbarn nach diesem herben Schlag?
Das ist ganz kurz gefasst der Inhalt des Buches.

Das könnte die Grundlage für einen atemberaubenden Thriller mit viel Blut, spektakulärer Aktion und Nervenanspannung sein. Könnte...aber es kann auch ein besonders tiefgehender einfühlsamer (Kriminal-)roman daraus werden. Zumindest dann, wenn der Autor Friedrich Ani heißt.

Das Vorgängerbuch " Der namenlose Tag" habe ich noch nicht gelesen. Trotzdem gibt es kein Problem, sich sofort in die "Ermordung des Glücks" einzufinden. Sehr schnell wird man dann mit Jakob Franck bekannt. Ein Kommissar außer Dienst, der den Eltern des Jungen die schreckliche Nachricht überbringt.
Dieser Franck ist nicht perfekt, plagt sich mit Erlebnissen der Vergangenheit, ist introvertiert und einfühlsam. Und er kann Zuhören. Damit wirkt er durchaus sympatisch und glaubhaft. Das einzige woran ich bei ihm ein wenig gezweifelt habe, ist die Einbindung in einen solchen Mordfall. Ist es wirklich glaubhaft, dass ein pensionierter Kommissar noch weiterhin so eng in Ermittlungen einbezogen wird? Aber diese Zweifel hatte ich nur zu Beginn des Buches, danach sind diese Gedanken einfach verdrängt worden.

Möglicherweise ist die Reaktion von Lennards Mutter etwas überzeichnet. Aber ich mag mich gar nicht hinterfragen, wie ich reagiert hätte bei einer solchen Nachricht. Der Titel "Ermordung des Glücks" spricht da wirklich eine ganze Menge aus.

Ani hat einen Schreibstil, der mich schon in seiner "Süden-Reihe" absolut angesprochen hat. Er lässt den Leser sehr tief in die Gedanken und Gefühle der Protagonisten eintauchen. Man teilt ihre Trauer, Verzweiflung und Wut. Man versteht ihre Veränderungen. Der Autor verlangt die Gabe, die Jakob Franck hat, das Zuhören nämlich, im Grunde auch seinem Leser ab. Er schreibt melancholisch, leise, düster, einfühlend und nutzt dafür oft Monologe. Das mag nicht jedermanns Sache sein, ich finde es jedoch großartig.

Ein Thema, das sich durch das Buch zieht ist die mangelnde gegenseitige Aufmerksamkeit, die Einsamkeit trotz Partnerschaft und Familie. Das Nebeneinanderherleben, die fehlenden Gespräche. Man sollte nie aufhören, sich mit den Menschen, mit denen man sein Leben verbringt, zu beschäftigen und sich für sie zu interessieren. Das schreibt Ani zwar nicht so offen, aber zwischen den Zeilen kann man es dann doch finden. Mir gefällt die Botschaft und der Umstand, dass sie ohne drohenden Zeigefinger daherkommt.

Mich hat "Ermordung des Glücks" auch noch nach dem Lesen beschäftigt. Das Buch ist nichts für Leser, die einen actionreichen, knallharten Krimi erwarten. Wer es etwas empathischer und ruhiger, trotzdem aber sehr spannend mag, dem empfehle ich das Werk mit allen 5 Sternen.