Ein stilistischer Gaumenschmauß zwischen Gaslaternen und Kutschenjagden

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
barbarasbuecherbox Avatar

Von

Als junge Witwe ist es für eine Londerin nicht einfach, sich über Wasser zu halten, während die Schuhe bereits im Morast der Stadt zu versinken drohen. Wenn man dann noch mit Kriminalermittlungen sein Geld verdienen will, muss man schon Bridie Devine heißen und es mit dem Gesetz manchmal nicht allzu genau nehmen.
Als Bridie zum Fundort zweier seltsamer Leichen gerufen wird, zögert sie nicht, denn wenn Bridie mit etwas keine Probleme hat, sind es Tote. Das denkt sich wohl auch Ruby Doyle, der kürzlich verstorbene Boxer, der plötzlich beschließt, Bridie nicht mehr von der Seite zu weichen (was auch an dem kürzlich gerauchten Bronchialbalsam-Blend liegen könnte).
Nachdem Bridie nur einen kurzen Blick auf die Toten – eine Mutter mit ihrem Baby - werfen konnte, verschwinden diese plötzlich – und sie ist sich sicher, dass ein Grund dafür in den seltsamen Hechtzähnen liegt, die sie im Mund des Säuglings erkennen hatte können.
Doch als sie kurz darauf den Auftrag erhält, ein entführtes Kind zu finden, häufen sich die merkwürdigen und gefährlichen Ereignisse, und Bridie muss am eigenen Leid erfahren, dass ein toter Boxchampion gegen wahre Bösewichte nicht viel anrichten kann …

Jess Kidd stand schon lange auf meiner zu-lesen-Liste – mit ihren übernatürlichen Kriminalromanen hat sie sich bereits in die Herzen einiger Leser geschrieben. Dass sie dieses Genre nun zudem noch ins viktorianische London versetzt hat, ist, als würde man Schlagsahne auf einen Schokoladenkuchen geben: es kann nur gut sein.
Der Fall selbst ist spannend, aber kein absolutes Teufelswerk. Man könnte fast sagen, dass es sich bei „Die Ewigkeit in einem Glas“ um einen klassischen Detektiv-Roman handelt – blendet man die übernatürlichen Elemente hier einmal aus. Denn Bridie Devine und ihre beiden Kompagnons Cora (eine vom Zirkus befreite, äußerst große Frau mit einem enormen Interesse an Groschenromanen) und Ruby Doyle (ein toter Boxer, der Zeit seines Daseins nun dazu verurteilt ist, in Unterhose und offenen Schuhen durch London zu streunen) sind allesamt kauzige und wunderbare Charaktere. Die Dynamik zwischen ihnen ist einfach großartig und selbst die Nebencharaktere werden so schillernd wiedergegeben, dass man sie alle – auch die Bösewichte – irgendwie ins Herz schließt.

Ein weiterer Punkt, der dieses Buch aus dem üblichen Urban-Fantasy-Brei herausstechen lässt, ist der Schreibstil. Jess Kidd ist Britin und der Roman ist allein aus stilistischer Sicht ein Gaumenschmauß.

„Bridie ist bei ihrem fünften Glas, und Dr. Harbin hat kaum an seinem ersten genippt. Er trinkt Madeira wie eine unverheiratete Tante, aber das ist ohne Belang; das Gespräch läuft jetzt schön entspannt.“

Der wirklich sehr feine, unterschwellige Humor ist das, was das Buch letztendlich so gut macht.


Mein Fazit ist daher: wenn euer Herz für das alte England schlägt, für Gaslampen, Kutschenjagden, für großspurige Detektive und liebenswerte Sidekicks, könnt ihr mit „Die Ewigkeit in einem Glas“ nichts falsch machen. Man fürchtet mit Bridie um ihr Leben und das ihrer Lieben (selbst um Rubys) und liebt sie dafür, so tough in einer so harten Welt zu sein und hasst ihr Gegenspieler dafür umso mehr.
Sollte euch aber ein Schreibstil, der vor Schachtelsätzen nicht zurück schreckt, und ein doch recht hohe Brutalität abschrecken, könnte es sein, dass euch das Buch enttäuschen wird.

Ich persönlich hatte großartige Lesestunden und nun einen weiteren Grund, alles von Jess Kidd zu lesen, das ich in die Finger bekomme.