Eine fiktionale Geschichte in der realen Welt der 60er Jahre in Kairo

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steffi_rpunkt_ Avatar

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Die Protagonistin dieses Romans ist Rita Hellberg. Als Sechzehnjährige wird sie unverhofft in die Welt von Kairo hineingeworfen. Ihr Vater kann nach dem zweiten Weltkrieg nämlich keine Stelle als Flugzeugtechniker in Deutschland finden, bis er auf eine Anzeige stößt, die ihn und seine Familie nach Ägypten verschlägt.
Verzaubert von der arabischen Welt und dem Luxus, der den sogenannten "Experten" dort zur Verfügung steht, taucht Rita in ein ganz neues Leben ein. Zuerst noch etwas skeptisch findet sie aber bald selbst Arbeit in einem der Werke und somit nicht nur Anschluss an die deutschen Experten. Sie trifft auf ihre erste große Liebe, einen Ägypter und steht schon bald zwischen den Fronten. Beide Seiten haben überzeugende Meinungen, doch welche ist die richtige Sichtweise und was kann man tatsächlich glauben?

Die Autorin untermauert in dem Roman die gesamte Erzählung mit authentischen Zeitungsberichten und Akten, sodass man einerseits in die reale Geschichte eintauchen kann, andererseits immer wieder geschockt feststellen muss, wie beispielsweise Entnazifizierung tatsächlich gehandhabt wurde.
Kröger selbst stellt klar, dass "Die Experten" ein dokumentarischer Roman ist: "Die zentral agierenden Figuren und ihre Handlungen wurden hineinfiktionalisiert in eine Abfolge realer historischer Ereignisse, in denen reale Personen der Zeitgeschichte vorkommen."
Dennoch wird mit dem Beitrag im Roman "Die Kairo-Decke" von Stefanie Schulte Strathaus klar, dass Parallelen zwischen Fiktionalität und Realität gelegt wurden. Über die 60er Jahre in Kairo wurde nämlich auf Basis der Familiengeschichte von Stefanie Schulte Strathaus, welche eines Tages wieder auf die Wurzeln ihrer Großeltern, Eltern und Tanten in der ägyptischen Stadt aufmerksam wurde.
So gibt es beispielsweise wie zwischen Schulte Strathaus' Großmutter und einem Priester in Kairo, auch im Roman Schriftverkehr zwischen der Mutter der Protagonistin und einem Priester.
Alle historischen Ereignisse werden durch Zeitungsartikel, Akten usw. untermauert, was den Lesefluss zwar manchmal etwas unterbricht, weil es sich bei den Aktenabschriften um eine Textsorte handelt, die defacto nicht oft gelesen wird und durch Abkürzungen und dergleichen zum Nachdenken anregt, aber die Spannung am Leben erhält und Einblicke in authentische Dokumente dieser Zeit ermöglicht.

Meinen Lesefluss würde ich in vier Stufen einteilen: Am Anfang spannend, dann mittig etwas zäh, die Spannung steigt wieder und am Schluss (=das letzte Fotoalbum bzw. das letzte von drei Kapiteln) musste ich wieder etwas kämpfen. Das würde ich aber auf alle Fälle auf die Länge des Romans (680 Seiten) zurückführen.

Alles in allem würde ich den Roman auf alle Fälle als lesenswert bewerten, allerdings unter dem Hinweis keinen Thriller (im herkömmlichen Sinne) erwarten zu dürfen, sondern eher mit einem historischen Roman zu rechnen.