Brutalität alleine reicht nicht.

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annibunny Avatar

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Vorweggesagt: Ich habe meinen Leseeindruck nun einige Tage sacken lassen und tue mich immer noch sehr schwer, ihn in Worte zu fassen.

Aber beginnen wir mit dem Cover: Eine Frau rennt vor einem bedrohlich dunklen Wolkenhimmel. Die Seite (und somit auch die Frau) ist zerrissen. Wäre es nicht ein Roman von Karin Slaughter, hätte ich dieses Buch vermutlich nicht zur Hand genommen. Der Titel deutet auf einen Justizthriller hin, wobei mir persönlich noch jemand erklären muss, wer denn nun eigentlich diese "falsche Zeugin" gewesen sein soll.

Ohne zu viel verraten zu wollen: Schon der Beginn ist nichts für schwache Nerven. Vergewaltigung von Kindern, Verbreitung dazugehöriger Pornographie und dergleichen sind für mich Dinge, über die ich zugegebenermaßen gerne vorab gewarnt werden möchte, bevor ich ein Buch lese, aber vermutlich hat mich da die eigene Elternschaft auch sehr sensibel gemacht.

Die eigentliche Geschichte spielt aber in der heutigen Zeit, wobei es aus meiner Sicht Pluspunkte für die Berücksichtigung der Pandemie gibt. Ich habe das Gefühl, in Filmen und auch Serien wird häufig gar nicht beachtet, dass sich die Welt seit zwei Jahren in einem Ausnahmezustand befindet. Ansonsten spart Slaughter nicht an Extremen: Brutale Gewalt wird gefördert durch die unerschütterlichen Gefühle, durch die die Charaktere gelenkt werden.

Und überhaupt: Ich konnte in der ganzen Geschichte nur mit einer Figur warm werden und das war der alte Tierarzt. Der Rest war mir zu kompromiss- und skrupellos.

Ja, die Autorin hat auf das Leid hingewiesen, das Frauen auch heute noch vielfach zugefügt wird, aber die Lösung, die sie zeigt, suggeriert, dass es auch heutzutage noch keinen richtigen Ausweg gibt, selbst für studierte Juristen, die das System seit Jahren kennen.

Insgesamt konnte mich die falsche Zeugin also leider nicht abholen und ich werde wohl in Zukunft von Slaughters Stand-alone-Werken die Finger lassen.