guter, wenn auch sehr gewalttätiger, raffinierter Thriller

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diana pegasus Avatar

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Karin Slaughter – Die falsche Zeugin

Die beiden Geschwister Leigh und Callie könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Leigh verheiratet und eine erfolgreiche Anwältin ist, lebt Callie auf der Straße und ist drogensüchtig.
Allerdings verbindet die beiden Schwestern nicht nur eine von Gewalt und Misshandlung geprägte Kindheit sondern auch ein schreckliches Geheimnis, dass ihnen nun Jahrzehnte später auf die Füße zu fallen droht.
Es beginnt mit einem Vergewaltiger, den Leigh vor Gericht vertreten soll und endet mit der Erkenntnis, dass ihr wohlgehütetes Geheimnis nicht mehr geheim ist...

Ich habe schon das eine oder andere Buch der Autorin gelesen. Selten hat mich ein Buch so gefesselt, aber auch abgestossen, denn im Großen und Ganzen geht es hier um Gewalt gegen Frauen. Kindesmisshandlung, Vergewaltigung, Drogensucht und brutale Gewalt, dazu Machtspielchen, Manipulation und psychopathische/soziopathische Täter ziehen sich durch den Thriller, der überwiegend spannend geschrieben, aber auch an den Nerven gezerrt hat.
Wer sowas nicht lesen mag oder kann, der sollte die Finger vom Buch lassen. Ich habe das Buch mehrfach zur Seite gelegt, um mal durchzuatmen.

Die Autorin hat einen guten, fesselnden Erzählstil. Die Story spielt hauptsächlich in der Gegenwart, wird aber durch Erinnerungen auch in die Vergangenheit geschickt, als Callie, gerade mal ein Teenager ist und als Babysitterin arbeitet.
Für mich persönlich sind die Kapitel zu lang, hier hätte man gut und gerne die Hälfte der Seitenzahl pro Kapitel nehmen können.
Die Charaktere sind lebendig und vielschichtig ausgearbeitet. Die Autorin kitzelt aus ihren Figuren das Maximale heraus, dadurch wirken sie realitätsnah. Allerdings konnte mir aus der Geschichte kaum jemand wirklich sympathisch werden. Vielleicht Leighs Ehemann Walter, der die Stimme der Vernunft zu sein scheint.
Leigh ist von sich selbst überzeugt, eine Planerin, eine Macherin. Sie nimmt das Heft sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart in die Hand, ist die Problemlöserin, die Frau, die alles durchdenkt. Zum einen ist es faszinierend, zum anderen erschreckend, wie kaltblütig sie dabei vorgeht. Natürlich um die zu schützen, die sie liebt.
Callie wirkte da trotz ihrer Drogensucht deutlich menschlicher. Die Ereignisse in ihrer Jugend haben die mittlerweile junge Frau zerstört. Zynisch und selbstzerstörerisch kommt sie daher, aber sie hat auch gute Seiten, gerade wenn sie von ihrer Arbeit in der Tierarztpraxis spricht.
Schnell ist dem Leser ersichtlich, dass es eine Verbindung zu Andrew gibt, und die Dynamik zwischen ihm und Leigh ähnelt einem perfiden Tanz. Zu jeder Zeit scheint Andrew Oberwasser zu haben, er ist ein Verbrecher, dem man im realen Leben niemals begegnen möchte.
Viele Nebenfiguren, die erst mal unwichtig erscheinen, werden zum Ende hin dann doch noch entscheidend, das finde ich gut gelöst.

Die Schauplätze sind genauso gut herausgearbeitet wie die düstere Astmosphäre des Thrillers spannend ist.

Der Thriller ist kurzweilig, brutal und raffiniert. Thriller-Leser werden sicherlich das Buch nicht aus der Hand legen können. Es gab einige Stellen die sich sehr gezogen haben, die Gewaltbereitschaft ist insgesamt sehr hoch, und durch die Realitätsnähe auch erschreckend.

Das Cover finde ich jetzt nicht unbedingt ansprechend.

Fazit: guter, wenn auch sehr gewalttätiger, raffinierter Thriller mit einigen Längen. 3,75 Sterne.