Sophias Umwege zum Ziel

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elke seifried Avatar

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Schon dem ersten Teil von „Die Farben der Schönheit“, mit dem Corina Bomann mit einer bewegenden Geschichte gelungen in die fantastische Welt der Kosmetikindustrie einer Helena Rubinstein und Elizabeth Arden entführt, habe ich gebannt gelauscht und auch hier bei der Fortsetzung hat mich die Autorin nicht enttäuscht. Ich bin regelrecht in der Handlung versunken und habe die Seiten geradezu verschlungen.

Nachdem Helena Rubinstein ihre Anteile an den amerikanischen Niederlassungen veräußert hat, hat Sophia am Ende des ersten Teils ihre Arbeit als deren Chemikerin verloren und der Cliffhanger, der anonyme Brief, der in ihr die große Hoffnung weckt, dass ihr Sohn Louis noch am Leben sein könnte, führt sie nun erst einmal zurück nach Paris. Auf der Reise dorthin darf man als Leser wieder in ihrer Welt eintauchen. In Paris trifft man auf alte Bekannte, allen voran natürlich Henny, die jedoch Drachen jagt und für die gilt, „Aber Henny hatte sich verändert. Früher hatte sie nicht so abwesend gewirkt.“ Eine Enttäuschung, ebenso wie die Suche nach Louis. Im Hôpital Lariboisière hat die Hebamme gekündigt, der Arzt ist empört und auch von der Polizei kann sie sich keine Hilfe erhoffen, „Commissaire Jeroult ließ den Brief schließlich sinken und lehnte sich zurück. »Ist das alles, was Sie für mich haben?«, und »Um eine Untersuchung gegen das Krankenhaus in die Wege zu leiten, reichen die Indizien nicht aus. Sie haben einen rechtsgültigen Totenschein und einen Brief, der von wer weiß wem stammen kann. Möglicherweise von Ihrer Freundin selbst.«. Eine kleine Hoffnungsflamme darf weiter glimmen, da Luc Martin, ein Privatdetektiv, ihr verspricht, wenn Louis noch lebt, dann würde er ihn finden. Unverrichteter Dinge geht es wegen einer fehlenden Arbeitsgenehmigung für Frankreich wieder zurück nach New York. „Sollte sich Ihre Meinung bezüglich Ihrer jetzigen Stelle ändern, sind Sie herzlich eingeladen, durch die rote Tür zu treten.“ Arbeitslos, Madame Rubinstein gegenüber nicht mehr verpflichtet, scheint das Angebot das sie vor langer Zeit von Elizabeth Arden bekommen hat, der Rettungsanker zu sein. Vielleicht auch mit einer Aussicht auf eine Stelle in deren französischen Niederlassungen? Eine Tür geht auf, Sophia bekommt eine Anstellung, wenn auch nicht in ihrem Traumberuf als Chemikerin, denn „»Ich glaube, meine Frau verfolgt einen Plan mit Ihnen. Welchen, ist mir noch nicht klar, aber sie unterrichtet die Betreffenden und auch ihr Umfeld erst, wenn sie sich sicher ist. Die Zeit in dem Salon ist als Ausbildung für Sie gedacht, genauso wie dieser Besuch hier. Noch nie hat sie jemanden aus dem Unternehmen mit Ihren Freundinnen bekannt gemacht.<< Welchen Plan Elizabeth Arden hat, das wird natürlich nicht verraten, ebenso wenig, wie ob Sophia ihren Sohn ausfindig machen kann und ob es eine Versöhnung mit Henny geben wird. Erwähnen darf man vielleicht noch, dass eine Helena Rubinstein sich längst nicht ganz von der Bildfläche verabschiedet hat, dass es auch ein Wiedersehen mit Darren gibt und auch ein Besuch in Berlin wegen ihrer Eltern auf dem Programm steht.

Als Leser erhält man einen tollen Einblick in die Welt der Schönheit und der Kosmetik, der natürlich stark von einer Elisabeth Arden, und auch einer Helena Rubinstein geprägt ist. Was wird getuscht, was geschmiert und auch der eine oder andere neu aufkommende Trend in Schönheitsdingen, wie Diäten, »Sie haben keine Ahnung, wie begeistert die Stars in Hollywood davon sind! Marlene Dietrich und Greta Garbo sehen nur wegen meiner Diät so fantastisch aus!<< oder auch Tennis zum Fithalten, ist hier Thema. Bei so vielen großen Frauen ist natürlich zudem das sich verändernde, aber oft auch noch konventionelle, steife Frauenbild etwas, was man hier miterleben kann. Ganz klar, dass auch ein Börsencrash nicht ohne spürbare Auswirkungen bleibt und ganz besonders eindrücklich wird z.B. auch der Aufstieg des Nationalsozialismus, der Sophias Heimat Berlin so hässlich macht, dargestellt. Hier passen Atmosphäre und Zeit einfach ganz genau, so wie ich mir das auch für einen guten historischen Roman erwarte.

Der mitreißende Schreibstil der Autorin hat mich wieder von Anfang an völlig in die Geschichte gezogen. Sie beschreibt so großartig, dass ich alle Szenen bildlich vor einem inneren Auge ablaufen hatte. So habe ich z.B. gefühlt real gesehen, wie die beiden Freundinnen bei einer Polizeikontrolle in einer sogenannten Flüsterkneipe türmen, »Wir klettern durch das Fenster!« Ray deutete auf die kleine Scheibe, die zwischen den Kabinen in die Wand eingelassen war.“, oder habe Sophia und Darren bei ihrer Aussprache auf der Pferdekoppel heimlich beobachtet. Corina Bomann weiß, wie sie die Emotionen ihrer Mitspieler, allen voran natürlich die von Sophia, auf den Leser überträgt. Ich habe mit ihr gefiebert, jedes Mal, wenn z.B. ein neuer Brief vom Detektiv bei ihr eintrudelt oder habe oft mit ihr gelitten, weil sie von einigen geliebten Menschen Enttäuschungen erleben muss. Zu der berührenden Erzählung, die eine emotionale Achterbahnfahrt bietet, kommt noch eine gehörige Portion Spannung und auch die eine oder andere Überraschung, was das Ganze, gewürzt mit einer Prise Humor, zu einem tollen Gesamtpaket macht. Da darf man z.B. schon mal über die Essgewohnheiten der Ernährungskoryphäe, die Elizabeth Arden für ihre Schönheitsfarm engagiert hat schmunzeln, was mir gut gefallen hat.

Dies ist bereits der zweite Teil und mir ist Sophia ja längst ans Herz gewachsen. Sie ist eine unheimlich starke Frau, die trotz der herben Schicksalsschläge, die sie bereits hinnehmen musste, nie die Hoffnung verloren hat und sie arrangiert sich stets bestmöglich mit den Gegebenheiten ohne zu jammern oder zu lamentieren, was mir Respekt abverlangt. Sie ist ebenso wie die anderen Darsteller großartig, authentisch und äußerst lebendig gezeichnet, bei einer Elizabeth Arden, für die der Name Madame Rubinstein ein rotes Tuch ist, über einen im Stolz gekränkten Darren, bis hin zur griesgrämigen Filialleiterin „Im Stillen verfluchte ich Miss Hodgson. Gegen sie war Miss Clayton ein Engel gewesen!“, in der man sich aber täuschen kann.

Alles in allem bin ich auch vom zweiten Teil dieser berührenden Trilogie um den Puderkrieg wieder völlig begeistert gewesen. Ich fiebere jetzt schon dem nächsten entgegen. Da sind fünf Sterne redlich verdient.