Brodelnde Gedanken

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bobbi Avatar

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Claire Thomas bringt in ihrem zweiten Roman „Die Feuer“ auf kompositorisch sehr ausgeklügelte Weise die Gedanken dreier sehr unterschiedlicher Frauen zutage, während sie im Melbourne-Theater die Beckett-Aufführung „Glückliche Tage“ ansehen. Während draußen gefährliche Buschfeuer brennen, lodern drinnen im klimatisierten Saal die assoziativen und tiefsinnigen Gedanken von Ivy, Margot und Summer – jede kämpft mit ihren ganz eigenen Lebensproblemen und doch sind es ähnliche Ängste in einer aus den Fugen geratenen Welt.

Die Literaturprofessorin Margot kämpft mit ihren körperlichen Blutergüssen und den psychischen Traumata, die ihr der gewalttätige Ehemann seit einer Demenz-Erkrankung zufügt. Die Philanthropin Ivy hat einen schmerzvollen Verlust erlitten, den sie immer noch nicht verarbeitet hat – ihr erstes Kind ist plötzlich gestorben. Summer ist eine Schauspielstudentin und Platzanweiserin im Theater, die darüber reflektiert, was ein gutes Leben ist und warum sie wegen ihrer dunklen Haut immer als Aborigine angesehen wird. Außerdem macht sie sich große Sorgen um ihre Freundin, die draußen ihr Haus vor dem gewaltigen Feuer beschützen will. In der Pause, die wie ein Theatermanuskript verfasst ist, stoßen die Frauen kurz aufeinander, um dann am Platz wieder in ihrer eigenen Welt zu versinken.

Inspiriert von dem Theaterstück mäandern die Gedanken und Erinnerungen der Frauen assoziativ-sprunghaft, während sie sich subtil in den Monolog der Beckett-Protagonistin Winnie einfügen: Sie ist in einem Erdhügel gefangen und reflektiert über das Sterben, Leben, Ehe und einem zum Untergang geweihten Planeten. Gegliedert in jeweilige Kapitel der einzelnen Frauen entsteht hier ein klug-verstörendes und fesselndes Gesamtbild über den Klimawandel, zwischenmenschliche Beziehungen und Lebensentwürfe sowie über die Kunst.

Feinfühlig, humorvoll und scharfsinnig dringt die Autorin tief in die angstgeplagten Seelen der Frauen ein, lässt ihre Sorgen und Gedanken weit abschweifen, um sie doch wieder versiert und treffsicher in die Rahmenhandlung eines 60 Jahre alten und doch hochaktuellen Stückes sowie der Buschfeuer einzufangen. Themen wie Rassismus, Gewalt, Familie und eine bevorstehende Klimakatastrophe fügen sich dabei ebenso homogen ineinander wie seelische Verluste oder Alltägliches wie der Kundalini-Yogakurs. Und wenn das inspirierende Stück am Ende mit Applaus gefeiert wird, hat jede der drei Frauen mit ihrer ergreifend-brillanten Innenschau eine Katharsis hinter sich, die sie im unsicheren Leben weitermachen lässt.

Ein zutiefst menschliches, bewegendes und originelles Stück Literatur mit einer wunderschön präzis-intimen Prosa!