Es fehlt nur ein Funke zum Highlight

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angie99 Avatar

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Man kennt das: man sitzt im Theater, beobachtet das Geschehen auf der Bühne und ertappt sich gleichzeitig dabei, dass man ihm nur bedingt folgt, sondern sich gedanklich auf seine eigenen Pfade begibt, wobei die rezitierten Sätze immer wieder neue Anstöße zum Weiterdenken geben. So geht es auch den Protagonistinnen in diesem Roman, die da wären: Margot, die Literaturprofessorin (Anfang siebzig), Ivy, die Kulturmäzenin (Anfang vierzig) mit ihrer besten Freundin Hilary und Summer, die Studentin und Platzanweiserin (Anfang zwanzig). Sie alle befinden sich in einer Aufführung von Samuel Becketts Stück „Glückliche Tage“.

„(Das Stück) hat vor einer Viertelstunde angefangen, und nun spricht sie (die Darstellerin) über das Sprechen. ,Ich rede nicht nur zu mir selbst.‘ Ivy sollte an Winnies Lippen hängen, aber der schnarchende Mann zu ihrer Rechten lenkt sie ab. Anfang der Nullerjahre hat sie das Stück in Bristol gesehen – alle Akzente klangen furchtbar falsch…“ (S. 55)

Jedes Kapitel widmet sich dem Bewusstseinsstrom einer dieser Protagonistinnen.
Durch diese klare Abtrennung zwischen den Figuren ist es ein leichtes, jeder einzelnen zu folgen. Auf sehr geschickte Weise tröpfeln verschiedene Informationen über ihre Vergangenheit, ihre Arbeits- und Familienverhältnisse, ihre Ängste, Zweifel und Wünsche in den Text mit ein. Anders als bei anderen auf dem Stream of Consciousness aufgebauten Werken, die verwirrend und schwer zugänglich wirken, wird man in diesem Fall nicht mit unlogischen Sprüngen oder Namedropping überfordert – ein Wohltat für das Leserherz!

„Allein dafür lohnt sich das Abonnement, für das stille Vergnügen, ein paar Mal im Jahr für einige Stunden im Theater zu sitzen, ungestört und geborgen. Aber ich habe irgendwo den Faden verloren, denkt Margot. Bei der Emse und dem Ei. Ach ja. Angst vor den falschen Dingen. Und dass sich meine Ängste in Bezug auf John als doppelt fehlgeleitet erwiesen haben.“ (S. 86)

Die titelgebenden Feuer bilden mit den in der Umgebung wütenden Buschfeuern eine eher zweitrangige Rahmenhandlung und gehen sowohl mit ihren zerstörenden als auch Wärme spendenden Aspekten in die Gedanken der Protagonistinnen ein. Trotzdem hätte ich persönlich den englischen Originaltitel „The Performance“ als treffender erachtet.

Denn in der Pause der Aufführung treffen die drei Frauen zufällig aufeinander und bilden ein eigenes Theaterstück im Theater, ein sehr kunstvoller und überaus geschickter Handgriff der Autorin.
Diese kurzen, eigentlich belanglosen Begegnungen sorgen für ein Umlenken und ein Umdenken der einzelnen Persönlichkeiten. Es sind leise Veränderungen, die hier ihren Anfang finden und deshalb umso authentischer, so wie auch die Figuren an sich aus dem Leben gegriffen wirken.

„Margot vermutet, dass es keine bestimmte Sorte Mensch gibt, die für ein gewisses Verhalten empfänglicher ist als andere. Es gibt immer wieder neue Situationen, und bevor wir uns darin wiederfinden, wissen wir nicht, was aus uns wird.“ (S. 201)

Dieser Roman gehört deshalb zu den Werken, die nicht mit viel Action, sondern mit einem geschliffenen Schreibstil und schön ausgearbeiteten Charakteren punkten.

Mich konnte dieses virtuose Werk mit seiner äußerst klug aufgebauten Struktur und den universal wichtigen Lebensthemen überzeugen.
Es hat mir aber der Funke Originalität gefehlt, der mich gänzlich dafür entzünden und aus dem soliden Werk ein Highlight hätte machen können.