Hier spielen Frauen die Hauptrollen

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geschwaetz Avatar

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Melbourne. Hitze. 40 Grad Celsius. Buschfeuer bedrohen die Menschen, deren Häuser, die Stadt.
Drei Frauen unterschiedlicher Generationen sitzen im klimatisierten Theater und sehen das Beckett-Stück „Glückliche Tage“. Endzeitstimmung. Die Szene spiegelt die Umwelt-und Klimakatastrophe vor der Tür. Die Frauen im Publikum lassen ihre Gedanken schweifen. Sehen die Szenen auf der Bühne, eine Frau ist eingegraben, nur ihr Oberkörper ragt aus einem Grashügel heraus, aus ihren jeweiligen Blickwinkeln ihrer Lebenserfahrungen.
„… weil sie heute vielleicht gehört wird, also wird sie stillhalten und sprechen. Sie wird unter der Erde stillhalten und gegen das Unglück anreden, das sie ereilt hat.“
Die einen reden gegen das Unglück öffentlich an, die anderen unterschreiben diverse Online-Petitionen. Sesselaktionismus.
Der ganze Themenkatalog der globalen Probleme unserer Zeit kommt im Buch zur Sprache. Klimawandel, Umweltverschmutzung, Rassismus, Feminismus, Gewalt gegen Frauen, sexueller Missbrauch …
„Der Klimawandel ist die moralische Schlüsselfrage der Epoche.“
Die Zuschauer inszenieren sich in der Pause zwischen den beiden Akten selbst, als hätten sie vergessen, was sie soeben gesehen und erlebt haben. Sie folgen einer gesellschaftlich anerkannten Dramaturgie. Man trinkt Champagner, hält Smalltalk, knüpft Verbindungen, die für die Karriere und den guten Ruf nützlich sein könnten.
Mir gefällt die Idee, das Beckett-Stück als roten Faden zu nehmen, an dem entlang die Geschichte erzählt und über die Themen philosophiert wird.
Die Autorin stellt Fragen und gibt auch Antworten, was nicht nötig gewesen wäre, weil die Leserinnen und Leser sie sich längst selbst gestellt haben. Ich hätte gerne einen eigenen Interpretationsspielraum und möchte nichts vorgeben bekommen.
Insgesamt hätte ich mir eine umfangreiche Wortwahl und eine Sprache, die literarischer ist, gewünscht.
Der unterhaltsame, der sehr heutige Roman endet wie das Beckett-Stück. Was wird aus uns? Wie wird es weitergehen? Wird es weiter gehen?
Ich leihe mir das Zitat von Bertolt Brecht, das durch Marcel Reich-Ranicki berühmt gewordene Schlusswort: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“