Tolle Figuren und ein abruptes Ende

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elfe1110 Avatar

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Die Figuren in Claire Thomas‘ Roman waren großartig, ebenso wie der starke Einstieg – der dann aber leider nach der Champagner-Pause enttäuschte.
Draußen wüten gefährliche Feuersbrünste, drinnen in einem Melbourner Theater schauen sich drei Frauen das Stück „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett an. Summer ist eine junge Platzanweiserin im Theater, die große Angst vor allem, gerade aber insbesondere um ihre Freundin April hat. Margot ist eine Literaturprofessorin, die sich mit dem nahenden Ruhestand ebenso auseinandersetzen muss wie mit der unterkühlten Beziehung zu ihrem Sohn und ihrem dementen und damit einhergehend leicht aggressiven Ehemann. Ivy, ehemalige Studentin von Margot, ist in den Vierzigern und eine vermögende Wohltäterin, die mit ihrem scheinbar perfekten Leben und einem schweren Verlust in der Vergangenheit hadert. In der Pause des Stücks kreuzen sich für einen kurzen Moment ihre Leben.

Ich liebe Romane, die von den scheinbar kleinen Begegnungen erzählen, die dann große Dinge bewirken. Entsprechend neugierig war ich auf dieses Buch, übersetzt von Eva Bonné. Die drei Figuren sind toll herausgearbeitet und jede für sich genommen sehr überzeugend in ihren Ängsten, ihren Zweifeln und ihrer herausfordernden Situation dargestellt. Dazu kommt eine packende und sehr intensive Atmosphäre: Ein schier erdrückender Gegensatz von Hitze, Rauch, Schweiß und Angst draußen im brennenden Hinterland und dann die Kühle, fast schon Kälte und Distanziertheit drinnen im Theater. Und damit noch nicht genug läuft die ganze Zeit eine abstrakte Inszenierung von Becketts Stück, die gefühlt wie eine zweite Handlung als Glocke über der Hauptstory liegt – und sich gleichzeitig in die Gedanken der drei Figuren einwebt.

Leider konnte mich der Roman dennoch nicht vollends überzeugen. Die Figuren sind wirklich toll, allein ihre inhaltliche Zusammenführung in der Pause blieb jedoch für meinen Geschmack zu dünn. Genau hier wurde es interessant und ein intensiveres Ausarbeiten dieses Treffens wäre sicherlich sehr spannend gewesen. Stattdessen ging es zurück in den Saal und die Figuren verliefen sich dann sehr abrupt. Auch fand ich persönlich die zahlreichen Beckett-Einblendungen einfach zu dominant.