(Zu) Viele Feuer in der Gedankenwelt von Margot, Summer & Ivy

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luisabella Avatar

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Worum geht es? | In ihrem Roman ‚Die Feuer‘ (Originaltitel ‚The Performance‘; übersetzt von Eva Bonne) schreibt Claire Thomas abwechselnd aus der Perspektive von drei Frauen, die sich in Melbourne eine Aufführung des Theaterstück ‚Happy Days‘ von Samuel Beckett ansehen während in Australien Waldbrände wüten. Während der Aufführung erleben Leser:innen die Gedankenwelt der drei ganz verschiedenen Frauen: Prof. Dr. Margot Pierce, eine Literaturprofessorin, die kurz vor der Rente steht, sich in ihre Großmutterrolle nicht einfinden kann und von ihrem dezenten Mann häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. Summer, eine Anfang 20-jährige Schauspiel-Studentin mit Angststörung, die ihren Vater nicht kennt und deren Freundin April auf dem Weg in die Feuer zur Rettung ihrer Familie ist. Ivy, eine erfolgreiche Geschäftsfrau und Kunstmäzin, die mit nach mehr als 16 Jahren nach wie vor mit dem plötzlichen Kindtod ihres 1. Kindes kämpft, ein kleinen Sohn hat , mit ihrer besten Freundin Hilary im Theater ist und beide ehemalige Studentinnen von Margot sind. Die Informationen zu den drei Charakteren liefert die Autorin sukzessive und aus der Gedankenwelt ergibt sich zunehmend klareres Bild der jeweiligen Frau, ohne dass dieses jemals vollständig werden wird. Dies ist sicherlich auch nicht der Anspruch der Autorin. Als verbindender Handlungsstrang wird das Theaterstück zwischen den Gedankengängen der Frauen mit-erzählt.

Meine Meinung | Das Cover des Buches hat mich genauso wie die Inhaltsangabe sehr begeistert und ich war sehr gespannt auf das Buch. Der Schreibstil gefällt mir sehr gut und enthält wirklich tolle Formulierungen und Gedanken, wie bspw. das folgende Zitat aus Margos Perspektive veranschaulicht:

„Sie behält ihre tiefsten Gedanken für sich oder spart sie für die Arbeit auf. Sie spricht mit ihm, natürlich tut sie das, aber im Grunde war er nie Ihr intellektueller Resonanzboden oder - allein der Gedanke ist lächerlich - ihre Muse.“ S.75

Der Roman hat viele Stellen, die mir sehr gut gefallen und deren Gedanken ich großartig formuliert finde. ABER die Story konnte mich leider nicht überzeugen. Für mich werden zu viele verschiedenen Themen angeschnitten, ohne dass diese vertieft und erzählerisch genutzt werden, wie bspw. Klimakrise, Aufwachsen ohne ein Elternteil, häusliche Gewalt, Trauma nach dem Kindverlust, sexuelle Orientierung, Demenz, würdevolles Altern, etc. Die drei Frauen sehen das Theaterstück, nehmen dabei Details wahr, aus denen sie Parallelen zum eigenen Leben ableiten und ihre Gedanken verfolgen. Die Grundidee ist großartig - jedoch schweifen die Frauen immer weiter ab und enthüllen immer schockierende Erfahrungen aus ihrem Leben. Die Überfrachtung ist zu groß für diese Charakterstudie, um all die Erzählstränge in den knapp 250 Seiten wiederaufzugreifen und zu einem größeren Ganzen zusammenzuführen. Aber genau dies hätte den Roman vollendet. Ich hätte mir mehr Tiefe gewünscht und weniger Oberflächlichkeit erhofft.

Insgesamt enthält der Roman wirklich schöne Formulierungen und der Aufbau ist literarisch mit der Zwischen-Pause sehr durchdacht. Auch wenn das Leseerlebnis für mich etwas unbefriedigend war, würde ich jederzeit einen weiteren Roman der Autorin lesen. Ich bin sehr gespannt auf alles, was noch kommt!