Der Untergang des Hauses Fletcher

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
wolfram Avatar

Von

Über mehrere Generationen beschreibt dieser Roman das Leben der unfassbar reichen Familie Fletcher, die auf ihrem Anwesen auf Long Island mit bestem Blick residieren.

"Die erste Generation baut das Haus, die zweite lebt darin, die dritte brennt es ab."

Während der Großvater eine giftige Styroporfabrik aufbaute (die Formel für den Werkstoff klaute er bei seiner Flucht vor dem Holocaust einem anderen Juden und lässt ihn sterbend zurück) und für ewige Sicherheit des Vermögens sorgte, lebte die zweite Generation vom Reichtum und führte gezwungenermaßen die Fabrik halbherzig weiter.
Die dritte Generation, von der im Buch hauptsächlich erzählt wird, hat keinerlei Bezug zur Realität mehr, ruht sich auf dem Reichtum aus, verschanzt sich hinter Geld und Luxus ihres riesigen Anwesens. Die giftige, nicht mehr konkurrenzfähige Fabrik geht langsam den Bach runter und alle kneifen die Augen ganz fest zu.

In jedem Kapitel, die so lang sind, dass sie eher Buchteile sind, folgen wir einem der Familienmitglieder. Am Ende erfahren wir auch die Geschichte von Ruth, der eiskalten Mutter. Jeder hat etwas zu verbergen, vor allem seine Wünsche und Träume. Und Traumata.
Vater Carl wurde entführt, als seine drei Kinder noch klein (bzw. Jenny noch im Mutterbauch) waren. Eine Woche später wurde er gegen ein riesiges Lösegeld freigelassen und war ab da nur noch eine leere Menschliche Hülle, die voller Angst nächtelang schrie und lebenslang von Ruth, betreut werden musste.

Fangen wir mit dem unerträglichen Beamer an.
Der zutiefst verunsicherte, sich, zugedröhnt mit Drogencocktails, von seiner Domina demütigen lassende Beamer hat absolut kein Rückgrad und Selbstbewusstsein. Seine Frau, die unergründlich ist in ihrer Unfähigkeit, klar Gefühle zu äußern, was sich ihr Mann wünscht. Er es aber auch nicht schafft, sie direkt zu konfrontieren und sich stattdessen vor ihr fürchtet und ihrem Nichtgesagten.
Beamer, ein talentloser Drehbuchautor, dem nichts anderes einfällt als Geschichten mit Entführungen (Trauma zweiter Generation nach seines Vaters Entführung). Er knickt bei jeder Kritik ein und ändert alles bereitwillig bis zur Unkenntlichkeit und Belanglosigkeit.

Sein ängstlicher, älterer Bruder Nathan, der in allem in der Welt das Schlechteste sieht. Der schon fast erleichtert und beglückt von der Entführung war, da nun "endlich das eintrat, wovon er immer warnte". Er suchte sich einen langweiligen Job, versicherte sich gegen alles mögliche, nur um das Gefühl maximaler Sicherheit und Konsistenz zu bekommen. Und wie alle anderen immer mit dem geerbten Vermögen im Rücken, sodass es keinen Unterschied macht, ob er einen guten Job macht.


Jenny, die dritte der Kinder und auf den ersten Blick scheinbar die vernünftigste, entzieht sich den Familienwahnsinn, indem sie einfach immer dann einschläft, wenn der Druck zu groß wird. Mittendrin, bei jeder Gelegenheit.
Sie scheint hochintelligent zu sein, studiert in Yale und radikalisiert sich dort als Gewerkschaftsmitglied. Sie versucht, ihrer Scham als privilegierte Frau reicher Eltern zu entkommen.
Sie rebelliert, indem sie ewig und alles studiert sich für die Gewerkschaft engagiert und ihr Geld verschenkt. Dennoch kommt bei ihr niemals das Gefühl auf, sie habe kein Geld oder sei arm. Am Ende muss sie schmerzvoll erfahren, dass sie ihrem Familienerbe nicht entfliehen kann.


Mutter Ruth ist eiskalt, verwendet ihre komplette Energie, den durch die Entführung traumatisierten Ehemann durch den Tag zu bringen, so dass kein bisschen Liebe mehr übrig bleibt für ihre eigenen Kinder. Sie hat nur Verachtung übrig für jede Entscheidung ihrer Kinder.

"Die Fletchers von Long Island" ist eine lange, dramatische Geschichte des Niedergangs, praktisch ohne Lichtblick. Ähnlich wie bei "American Psycho" schafft es keiner, aus der Situation auszubrechen oder sich weiter zu entwickeln und am Ende fügen sie sich dem Schicksal der Immer-Reichen.
Die Protagonisten sind ohne Ausnahme unsympathisch, jeder auf seine Weise, was das Buch streckenweise anstrengend macht.