Die Schlachten einer starken Frau

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"Die Schlacht ums Blut" - so hat ein Kollege Dorothys Arbeit betitelt, die auch Mittelpunkt dieses Buches ist: das Bestreben, dem Poliovirus und Kinderlähmungen ein Ende zu bereiten. Und es ist ein langwieriger Kampf, der sich in langen Nächten im Labor und sorgsam protokollierten Versuchen abspielt.
Das jahrelange Erheben und Auswerten von Daten wird dem reißerischen Titel von oben nicht ganz gerecht, könnte man denken. Aber Lynn Cullens hat es geschafft, dass ich vom ersten bis zum letzten Satz mitgefiebert habe.

Das liegt zum einen an ihrem lebendigen Schreibstil. Ein paar Worte reichen, und ich sitze mit Dorothy am Tisch und sehe die leeren Blicke ihrer Kollegen, während sie die Worte einer Wissenschaftlerin gönnerhaft belächeln, die "wie die Blütenblätter eines Gänseblümchens im Wind" an ihnen vorbeiwehen. Auch die Übersetzung hat mir gefallen, obwohl sich manche Worte wie das Verb "herzen" seltsam lasen.

Zum anderen werden wir im Buch immer wieder mit Schicksalen konfrontiert, die uns persönlich spüren lassen, was Polio für den Einzelnen bedeutet. Ab und zu wechselt die Perspektive zu anderen Frauen, und ihren eigenen Kämpfen. Die kurzen Einblicke sind einfühlsam geschrieben und werfen auch Parallelen zu Dorothys Leben.

Aber die Bekämpfung von Polio ist nicht die einzige Schlacht, die Dorothy auszutragen hat. Zu wissen, dass eine Frau der Wissenschaft bestenfalls belächelt wurde, ist doch noch einmal etwas anderes, als es durch Dorothy selbst zu erleben - all die kleinen Stiche und Demütigungen sind mir beim Lesen unter die Haut gegangen.
Daneben hat sie auch mit sich selbst zu ringen, und obwohl Dorothy für mein Empfinden ein wenig zu Vollkommen als Charakter ist, hat auch sie ihre Schwächen und diese teilweise erst noch entdecken.

Mein Fazit:
Der Roman streift viele Themen, von der Ethik von Tierversuchen über die Apartheit in Amerika bis zur Liebe zwischen Eltern und Kind. Auch von den unzähligen Opfern, die Menschen erbringen - und wie viele von ihnen unbeachtet bleiben. Am Beeindruckendsten war für mich so eindrucksvoll zu erleben, was es bedeutet, als Frau im Amerika der 50er und 60er Jahre zu leben. Allein dafür empfehle ich den Roman gerne weiter.