Unterhaltsam, mit Luft nach oben

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annajo Avatar

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Schweden, 1913: Agneta ist eine Grafentochter. Mit Mitte 20 hat sie es geschafft, sich von den Erwartungen ihrer Familie zu lösen und entfernt in Stockholm Kunst zu studieren. In ihrer Freizeit engagiert sie sich für Frauenrechte. Ein Telegramm beordert sie zurück zum Gut der Familie, wo sie sich vor dem aufgebahrten Körper ihres Vaters wiederfindet. Und auch ihr Bruder überlebt das Unglück auf dem Löwenhof nicht. Plötzlich ist Agneta die Erbin und neue Herrin eines Gutes und muss ihre adlige Rolle erfüllen, die sie in tiefe Konflikte stürzt. Mit ihrer humanistischen Einstellung versucht sie, den Hof umzukrempeln. Und natürlich erwacht auch bald die Sehnsucht nach Liebe in ihr ...

Ich habe mich am Anfang sehr schwer getan. Nach den ersten Kapiteln war ich ziemlich unzufrieden. Der Schreibstil war mir ein wenig zu umgangssprachlich und die Geschichte an manchen Punkten nicht ganz logisch. Gemäß der Konventionen, die geschildert wurden, hätte Agnetas Umgang mit Männern in Stockholm eigentlich nicht so einfach und unproblematisch sein dürfen. Auch wirkte sie mir für ihr Alter zu jung. Laut der Schilderungen durften Frauen mit 25 ihre eigene Vormundschaft beantragen, was sie auch getan hat. Dementsprechend müsste sie zu Beginn der Geschichte Mitte 20 sein. Ihrer Mutter gegenüber verhält sie sich jedoch eher wie ein trotziger Teenager. Das passte für mich nicht ganz mit ihrer Vorreiterrolle und angeblichen Stärke zusammenpassen.

Die Geschichte hat mich jedoch zunehmend gefesselt, auch wenn es zugegebenermaßen eher seichte, aber nette Unterhaltung ist. Dennoch gab es immer wieder die Momente, die mich auch schon zu Beginn gestört haben. Es gab immer so einen leicht theatralischen Hang, der zwischendurch einiges unglaubwürdig machte und übertrieben oder auch schmalzig wirken ließ. Und dann wiederum packte mich die Dramatik einzelner Wendungen. Ich konnte mich dann einem gewissen Sog nicht entziehen und letztendlich fühlte ich mich doch gut unterhalten. Man kommt der Familie doch nahe und leidet mit Agneta in ihrem Liebeskummer und ihrem Kampf mit den Konventionen mit. Man liest sich schließlich in diese Familiengeschichte ein und möchte dann doch wissen, wie es mit den Frauen des Löwenhofs weitergeht. Auch macht Agneta, zum Glück, eine Reifung durch, sodass sie sich nicht über 700 Seiten hinweg so pubertär benimmt wie zu Beginn. Auch hält das Buch einige dramatische Wendungen bereit und die Neugier auf den Folgeband ist definitiv geweckt.

Insgesamt ist der erste Band der "Frauen vom Löwenhof" gute, wenn auch nicht allzu anspruchsvolle Unterhaltung und ein richtiger Schmöker. Der historische Rahmen ist mir hier noch zu blass, sodass ich beim zweiten Band noch auf eine Verbessung hoffe, denn meiner Meinung nach hat "Die Frauen vom Löwenhof" noch Luft nach oben.