Auszeit in Südfrankreich und ein Geheimnis das drückt
„Doch sie konnte nicht mit ihrem Vater sprechen, konnte ihm nicht erklären, warum sie nachts nicht schlafen konnte. Sie hatte sich in eine Situation manövriert, aus der ihr niemand heraushelfen konnte.“ Die ständigen Fliegeralarme sind nicht Isabelles einzige Ängste und Sorgen, die ihr im Jahr 1944 schlaflose Nächte bereiten. Im Heute machen ihrer Enkelin Amélie Alpträume die Nächte zum Graus. Deren Leben liegt seit drei Jahren, seit ein Unfall ihr Ehemann und den zweijährigen Sohn Marco genommen hat, in Trümmern. Handlungsunfähig, taub für Empfindungen gilt für die Bestsellerautorin, die nicht mehr schreiben will und kann, „Ihre Protagonisten lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende, während sie selbst gerade dabei war, sich zu ritzen, um endlich überhaupt wieder etwas zu fühlen, und wenn es nur der Schmerz der Schnitte war.“. Tiefer kann es nicht kommen, als ihr Vater den Tipp gibt eine Auszeit mit Tapetenwechsel zu nehmen, um wieder zu sich zu finden, willigt sie deshalb ein. Was läge näher, als das leerstehende Häuschen ihrer Oma, „Jahrelang war sie mit ihren Eltern in den Ferien in das kleine Städtchen an der Côte Vermeille im Süden Frankreichs gefahren, und die Familie ihres Vaters lebte noch immer dort. Ihre Oma war mittlerweile in ein Pflegeheim nach Argelès-sur-Mer gezogen, aber ihre Tante, die Schwester ihres Vaters, wohnte mit ihrem Mann direkt in Collioure. Und auch ihre Cousine Charlotte hatte sich mit ihrem Lebensgefährten nur wenige Kilometer entfernt niedergelassen.“, ganz auf sich gestellt, wäre sie dort auch nicht.
Als Leser lernt man Amélie in ihrer tiefen Depression kennen und reist anschließend mit ihr nach Südfrankreich. Dort angekommen heißt es nun erst einmal Benjamin den Journalisten, an den ihre Tante das Häuschen für die Zeit seiner Recherchen ohne ihr Wissen vermietet hat, hinauszuekeln, was wenig erfolgreich ist. Bei einem Besuch bei ihrer Großmutter vertraut ihr die, ihr altes Tagebuch, in dem sie u.a. von ihrer verbotenen und geheimen Liebe zum deutschen Oberfeldwebel Ludwig während des Zweiten Weltkriegs berichtet, an, versehen mit der Bitte es zu lesen. Isabelle will nicht mit einem solchen Geheimnis sterben und noch einen letzten Wunsch hat sie zudem.
Der lockere Schreibstil der Autorin liest sich flüssig. Sie nimmt einen mit auf einen kleinen Ausflug an die traumhafte Purpurküste. Ich hatte das Gefühl mit vor Ort sein zu dürfen, und „ließ den Blick über das sich ihr bietende Panorama schweifen: die weit ins Meer vorgeschobene Wehrkirche, die früher einmal als Leuchtturm gedient hatte, und das massive Château Royal mit seinen wuchtigen Außenmauern. Wellen schlugen gegen den Kai vor der Burg. Zwei Möwen saßen auf einem der Felsen und putzten ihr Gefieder. Salz- und Fischgeruch lag in der Luft. Es war noch angenehm warm.“ Dass Silke Ziegler diese Gegend liebt, ist deutlich zu spüren. Mit ihrem historischen Strang konnte sie mich gefühlsmäßig ebenfalls einholen, und auch im Jetzt haben mich die Szenen mit der Großmutter, deren letzten Tage gezählt sind, sehr berührt. Ab und an habe ich aber auch Längen verspürt beim Lesen und im Heute konnte ich Amélies Problem mit Benjamin so gar nicht nachvollziehen.. >>Aber Ihre selbstgefällige Art… dieses ständige Selbstmitleid, diese Unbeherrschtheit, diese Wut…« Er winkte ab. »Das alles hat nicht das Geringste mit Trauer zu tun.<<, trifft es in meinen Augen genau auf den Punkt und für mich kindische, kopflose Aktionen, die die ersten zwei Drittel des Romans prägen, haben mir das Lesevergnügen ein wenig getrübt. Die dann rasch einsetzende Entwicklung, „Nein, sie war nicht mehr die Amélie, die vor zwei Wochen nicht einmal in der Lage gewesen war, die eigenen vier Wände zu verlassen.“, hat mich dann ebenfalls nicht völlig überzeugt.
»Dein Urgroßvater pflegte immer zu sagen, es gibt keine Probleme, die sich nicht mit einem warmen, knusprigen Baguette lösen lassen«, bemerkte ihr Vater in diesem Moment hinter ihr, während Isabelle seine Hand auf ihrer Schulter spürte.“. Amélie befreit in einer Putzaktion die alte Baguetterie, nachdem sie zwanzig Jahre leerstand, vom alten Staub und bäckt auch einige Male Baguettes nach dem Rezept ihrer Großmutter, mischt drei Dips dazu. Bei diesen Szenen konnte ich den frischen Brotduft fast selbst riechen, gerne hätte sie sich wegen mir hier etwas mehr ausleben dürfen.
Auch hatte ich mir aufgrund des vielversprechenden Anfangs des historischen Strangs in dem man kurz angerissen z.B. von „Es gab tatsächlich viele mutige Männer und Frauen, die damals der Résistance angehört hatten. Die mit brandgefährlichen Sabotageakten die Versorgung der Deutschen boykottiert hatten. Die den Zugverkehr lahmlegten, um Gefangenentransporte nach Deutschland zu verhindern, und die politische und ausländische Flüchtlinge ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben versteckten.“, oder vom Unmut Isabelles Vater, „Papa dagegen, der regelmäßig General de Gaulle über Radio London lauscht, lässt immer wieder Bemerkungen über die sales boches, die dreckigen Deutschen, fallen und schimpft auf General Pétain, der uns Franzosen seiner Meinung nach durch die Kollaboration der Vichy-Regierung mit den Deutschen in eine furchtbare Situation gebracht hat.“, erfährt, noch ein paar mehr historische Details erhofft. Ganz besonders der sogenannte Geisterzug, "Der Train fantôme sollte, bevor die Alliierten kamen, die letzten Gefangenen aus dem Internierungslager Le Vernet-d’Ariège nach Deutschland bringen.“, von dem man aufgrund von Benjamins Recherchen kurz erfährt, hätte mich näher interessiert. Gut dargestellt ist allerdings die Atmosphäre der Angst, und z.B. der Hass auf Frauen, die sich mit den Besatzern einlassen, „Warum wollte ich mich unbedingt in Schwierigkeiten bringen, indem ich mich verbotenerweise mit einem Deutschen traf? Gab es nicht genügend junge französische Männer? Was war mit Michel? Er versuchte schon jahrelang, meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Und er war nett. Hässlich war er auch nicht, und doch… Die Gefühle, die Friedrich Herzog in mir auslöste, hatte ich in dieser Intensität noch nie erlebt. Aber ich musste vorsichtig sein.“, ist ebenfalls gelungen eingefangen.
Gut haben mir gefallen, dass die Autorin betont, dass gilt, „Und ich finde es nach wie vor heikel, mir ein Urteil über das damalige Verhalten mancher Landsleute zu erlauben. Was war die Alternative? Wer nicht kooperierte, kam in eines der Lager oder wurde gleich erschossen. Frankreich glich einem rechtsfreien Raum. Natürlich ist es mit dem Wissen von heute einfach, moralisch zu verurteilen.« Er sah wieder zu Benjamin. »Aber können wir wirklich mit Bestimmtheit sagen, wie wir damals agiert hätten?“, denn das sehe ich ganz genauso und auch der ein oder andere gute Lebensratschlag, wie „Ja, es gab nicht nur Schwarz und Weiß. Dazwischen existierten unzählige Grauabstufungen.“ oder man „»Man nimmt sich viel zu selten die Zeit, seine Umgebung bewusst wahrzunehmen«, sind nur zwei Beispiele.
Isabelle ist mit ihren Sorgen, Gefühlen und Hoffnungen sowohl im historischen Teil als auch im Heute im Seniorenheim toll gezeichnet. In sie konnte ich mich hineinversetzen und die alte Dame ist mir so richtig ans Herz gewachsen mit ihren verständlichen letzten Wünschen. Auch der sympathisch, besonnen und empathische Journalist Benjamin spielt seine Rolle richtig gut. Leider aber wurde ich mit Amélie so gar nicht warm. Ich empfand ihr selbstbezogenes Verhalten zunehmend schon fast nervig, sie als dreist und konnte mich so auch nicht mehr mit ihr über positive Entwicklungen, die sich am Ende abzeichnen, freuen.
Alles in allem ein netter Ausflug an die Purpurküste mit einem alten Tagebuch, das zu bewegen vermag.
Als Leser lernt man Amélie in ihrer tiefen Depression kennen und reist anschließend mit ihr nach Südfrankreich. Dort angekommen heißt es nun erst einmal Benjamin den Journalisten, an den ihre Tante das Häuschen für die Zeit seiner Recherchen ohne ihr Wissen vermietet hat, hinauszuekeln, was wenig erfolgreich ist. Bei einem Besuch bei ihrer Großmutter vertraut ihr die, ihr altes Tagebuch, in dem sie u.a. von ihrer verbotenen und geheimen Liebe zum deutschen Oberfeldwebel Ludwig während des Zweiten Weltkriegs berichtet, an, versehen mit der Bitte es zu lesen. Isabelle will nicht mit einem solchen Geheimnis sterben und noch einen letzten Wunsch hat sie zudem.
Der lockere Schreibstil der Autorin liest sich flüssig. Sie nimmt einen mit auf einen kleinen Ausflug an die traumhafte Purpurküste. Ich hatte das Gefühl mit vor Ort sein zu dürfen, und „ließ den Blick über das sich ihr bietende Panorama schweifen: die weit ins Meer vorgeschobene Wehrkirche, die früher einmal als Leuchtturm gedient hatte, und das massive Château Royal mit seinen wuchtigen Außenmauern. Wellen schlugen gegen den Kai vor der Burg. Zwei Möwen saßen auf einem der Felsen und putzten ihr Gefieder. Salz- und Fischgeruch lag in der Luft. Es war noch angenehm warm.“ Dass Silke Ziegler diese Gegend liebt, ist deutlich zu spüren. Mit ihrem historischen Strang konnte sie mich gefühlsmäßig ebenfalls einholen, und auch im Jetzt haben mich die Szenen mit der Großmutter, deren letzten Tage gezählt sind, sehr berührt. Ab und an habe ich aber auch Längen verspürt beim Lesen und im Heute konnte ich Amélies Problem mit Benjamin so gar nicht nachvollziehen.. >>Aber Ihre selbstgefällige Art… dieses ständige Selbstmitleid, diese Unbeherrschtheit, diese Wut…« Er winkte ab. »Das alles hat nicht das Geringste mit Trauer zu tun.<<, trifft es in meinen Augen genau auf den Punkt und für mich kindische, kopflose Aktionen, die die ersten zwei Drittel des Romans prägen, haben mir das Lesevergnügen ein wenig getrübt. Die dann rasch einsetzende Entwicklung, „Nein, sie war nicht mehr die Amélie, die vor zwei Wochen nicht einmal in der Lage gewesen war, die eigenen vier Wände zu verlassen.“, hat mich dann ebenfalls nicht völlig überzeugt.
»Dein Urgroßvater pflegte immer zu sagen, es gibt keine Probleme, die sich nicht mit einem warmen, knusprigen Baguette lösen lassen«, bemerkte ihr Vater in diesem Moment hinter ihr, während Isabelle seine Hand auf ihrer Schulter spürte.“. Amélie befreit in einer Putzaktion die alte Baguetterie, nachdem sie zwanzig Jahre leerstand, vom alten Staub und bäckt auch einige Male Baguettes nach dem Rezept ihrer Großmutter, mischt drei Dips dazu. Bei diesen Szenen konnte ich den frischen Brotduft fast selbst riechen, gerne hätte sie sich wegen mir hier etwas mehr ausleben dürfen.
Auch hatte ich mir aufgrund des vielversprechenden Anfangs des historischen Strangs in dem man kurz angerissen z.B. von „Es gab tatsächlich viele mutige Männer und Frauen, die damals der Résistance angehört hatten. Die mit brandgefährlichen Sabotageakten die Versorgung der Deutschen boykottiert hatten. Die den Zugverkehr lahmlegten, um Gefangenentransporte nach Deutschland zu verhindern, und die politische und ausländische Flüchtlinge ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben versteckten.“, oder vom Unmut Isabelles Vater, „Papa dagegen, der regelmäßig General de Gaulle über Radio London lauscht, lässt immer wieder Bemerkungen über die sales boches, die dreckigen Deutschen, fallen und schimpft auf General Pétain, der uns Franzosen seiner Meinung nach durch die Kollaboration der Vichy-Regierung mit den Deutschen in eine furchtbare Situation gebracht hat.“, erfährt, noch ein paar mehr historische Details erhofft. Ganz besonders der sogenannte Geisterzug, "Der Train fantôme sollte, bevor die Alliierten kamen, die letzten Gefangenen aus dem Internierungslager Le Vernet-d’Ariège nach Deutschland bringen.“, von dem man aufgrund von Benjamins Recherchen kurz erfährt, hätte mich näher interessiert. Gut dargestellt ist allerdings die Atmosphäre der Angst, und z.B. der Hass auf Frauen, die sich mit den Besatzern einlassen, „Warum wollte ich mich unbedingt in Schwierigkeiten bringen, indem ich mich verbotenerweise mit einem Deutschen traf? Gab es nicht genügend junge französische Männer? Was war mit Michel? Er versuchte schon jahrelang, meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Und er war nett. Hässlich war er auch nicht, und doch… Die Gefühle, die Friedrich Herzog in mir auslöste, hatte ich in dieser Intensität noch nie erlebt. Aber ich musste vorsichtig sein.“, ist ebenfalls gelungen eingefangen.
Gut haben mir gefallen, dass die Autorin betont, dass gilt, „Und ich finde es nach wie vor heikel, mir ein Urteil über das damalige Verhalten mancher Landsleute zu erlauben. Was war die Alternative? Wer nicht kooperierte, kam in eines der Lager oder wurde gleich erschossen. Frankreich glich einem rechtsfreien Raum. Natürlich ist es mit dem Wissen von heute einfach, moralisch zu verurteilen.« Er sah wieder zu Benjamin. »Aber können wir wirklich mit Bestimmtheit sagen, wie wir damals agiert hätten?“, denn das sehe ich ganz genauso und auch der ein oder andere gute Lebensratschlag, wie „Ja, es gab nicht nur Schwarz und Weiß. Dazwischen existierten unzählige Grauabstufungen.“ oder man „»Man nimmt sich viel zu selten die Zeit, seine Umgebung bewusst wahrzunehmen«, sind nur zwei Beispiele.
Isabelle ist mit ihren Sorgen, Gefühlen und Hoffnungen sowohl im historischen Teil als auch im Heute im Seniorenheim toll gezeichnet. In sie konnte ich mich hineinversetzen und die alte Dame ist mir so richtig ans Herz gewachsen mit ihren verständlichen letzten Wünschen. Auch der sympathisch, besonnen und empathische Journalist Benjamin spielt seine Rolle richtig gut. Leider aber wurde ich mit Amélie so gar nicht warm. Ich empfand ihr selbstbezogenes Verhalten zunehmend schon fast nervig, sie als dreist und konnte mich so auch nicht mehr mit ihr über positive Entwicklungen, die sich am Ende abzeichnen, freuen.
Alles in allem ein netter Ausflug an die Purpurküste mit einem alten Tagebuch, das zu bewegen vermag.