Am Ufer des Bosporus

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daphne1962 Avatar

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Istanbul: Stadt der tausend Seelen, der tausend Geschichten, der tausend Sprachen.....

Das Original heißt übersetzt - Erinnerungen an Istanbul, ich finde den Titel viel passender. Denn Erinnerungen werden hier ausgegraben. Wer allerdings einen spannenden Krimi erwartet, wo der Täter von den Ermittlern durch immer einen Schritt voraus ist, sollte nicht weiter lesen. Dieser türkische Krimi, der ausschließlich in Istanbul spielt ist eher etwas für Geschichtsliebhaber, der viel und ausführlich über die interessanten Bauten und deren vergangenen Herrscher erzählt. Tote gibt es dennoch reichlich.


Die erste Leiche lässt den Leser auch schon mal einiges über die Gründung der Stadt am Bosporus erfahren, sie hieß Byzantion. Gegründet von den Griechen. Kadiköy ist da wohl der älteste Stadtteil. Konstantinopel kam erst mit dem Tod vom römischen Kaiser Konstantin. Gefunden wurde der Professor für Kunstgeschichte an der Atatürksäule. Merkwürdigerweise konnte man keinen einzigen Blutstropfen feststellen und in der Hand des Leichnams fand sich eine historische Münze, die auf die Gründung der Stadt hinweist. Schnell stellt sich heraus, es handelt sich um den Ex-Ehemann der Museumsdirektorin des legendären Topkapi Palastes, Leyla Barkin.
Nachdem der Täter auch ein zweites Mal zugeschlagen hat und eine weitere Leiche mit historischer Münze gefunden wurde, stellt sich schnell heraus, die Opfer waren keine unbescholtenen Bürger. Sie waren in einen Bau-Skandal um ein großes Wohn- und Geschäftscenter verwickelt.

Die Figuren um Oberinspektor Nevzat herum sind einfach toll dargestellt. Ali, der draufgängerische Polizist, der sich gerne mal mit einem verdächtigen anlegt und am Liebsten ein Geständnis aus ihm rausprügeln möchte. Oder die fleißige Zeynep, auf die sich Nevzat verlassen kann. Nevzat erzählt in der Ich-Form und schnell ist man auch in seinem privaten Drama involviert. Es wird von Liebe und Verrat und Verlust erzählt und auch Geschichte und Gegenwart wechseln sich immer wieder ab. Man verliert nie den Faden.

Hier spürt man auch die Melancholie der Menschen (sehr typisch für das türkische Volk), die oft vergangenem nachhängen, dazu in der lauen Sommernacht in einem Weinlokal sitzen und ein Glas Raki trinken, im Hintergrund spielt leise melancholische Musik bekannter Musiker. Man muss sich ganz einlassen in die jahrtausendealte Geschichte Istanbuls und es als historischen Kriminalroman sehen. Dann ist es äußerst lesenswert. Vorteil ist auch, wenn man die Stadt schon besucht hat, dann hat man diese tollen Paläste und Moscheen vor Augen. Denn gelangweilt hat es mich in keinster Weise. Auch ist die türkische Literatur hier nicht so publik gemacht worden bisher, deshalb umso mehr möchte ich diesen Schmöker den Lesern ans Herz legen.