Der lange Weg zum Licht

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buecherfan.wit Avatar

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In Jessie Burtons neuem Roman “Die Geheimnisse meiner Mutter" geht es im Wesentlichen um zwei Generationen von Frauen, aber auch allgemein um Rollenbilder und feministische Themen. Erzählt wird auf zwei Zeitebenen: 1979-1983 und 2017-2018.
Die 20jährige Elise Morceau begegnet eines Tages in Hampstead Heath im Londoner Norden der berühmten Schriftstellerin Constance Holden. Die beiden Frauen kommen sich näher, haben eine leidenschaftliche Beziehung. Die deutlich ältere Constance genannt Conny ist sehr dominant, und die junge Elise kann sich ihrem Einfluss nicht entziehen. Sie begleitet die Freundin nach Los Angeles, wo einer ihrer Romane mit der glamourösen Schauspielerin Barbara Lowden verfilmt wird. Elise fühlt sich nicht wohl. Sie wird von allen übersehen, die nur die Berühmtheiten im Blick haben. Eifersucht und Verrat führen zum Bruch. Später lebt Elise mit dem verheirateten Drehbuchautor Matt in New York und bekommt ein Baby. Sie hat aber so große psychische Probleme, dass sie sich weder in dieser Beziehung noch in der Mutterrolle wohlfühlt. Eines Tages verschwindet sie spurlos, und lässt ihre nicht einmal 1jährige Tochter Rose zurück. Matt zieht sie allein auf. Rose hat ihre Mutter nie gesehen und weiß fast nichts über sie.
2017 ist Rose 34 Jahre alt und lebt seit fast neun Jahren mit ihrem Freund Joe zusammen. Sie hat nie aufgehört, sich zu fragen, was damals mit ihrer Mutter passiert ist und beschließt, sie zu suchen. Sie hat das Gefühl, in ihrem bisherigen Leben nichts erreicht zu haben und erst dann sinnvolle Entscheidungen treffen zu können, wenn sie ihre Vergangenheit kennt. Ihr Vater erzählt ihr zum ersten Mal von Constance Holden, die die letzte war, die damals ihre Mutter gesehen hat. Begünstigt durch einen Zufall nimmt Elise unter dem Namen Laura Brown eine Stelle bei Constance Holden an, die - nunmehr in den 70ern - wegen körperlicher Gebrechen Hilfe braucht. Zum Beispiel zum Tippen ihres ersten Romans seit 30 Jahren. Elise hofft, auf diese Weise an Informationen über ihre Mutter zu kommen. Die beiden Frauen kommen einander näher, ohne dass es zunächst neue Erkenntnisse gibt. Weder spricht Constance über ihre Vergangenheit, noch kann das Manuskript als Schlüssel zu den damaligen Ereignissen dienen. Im Laufe der Zeit begreift Elise, dass ihre Suche eine zweifache ist: nach der verschwundenen Mutter und nach der eigenen Identität. Sie verändert sich und trifft weitreichende Entscheidungen, die sie als Befreiung aus dem Dunkel begreift, als Wendepunkt in ihrem Leben.
Der gut lesbare Roman schneidet viele Themen an, zum Beispiel Mutterschaft und Kreativität, die Selbstfindung von Frauen, Freundschaft, Liebe und Verrat. Die Charakterisierung der Frauenfiguren ist der Autorin hervorragend gelungen, wohingegen die Männer durchweg etwas blass bleiben. Mir hat das Buch trotz einiger Längen gut gefallen, auch wenn das halboffene Ende nicht alle Fragen des Lesers beantwortet.