Selbstentlarvung

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„Die Geheimnisse meiner Mutter“ ist ein fantastisches Buch, das große Fragen aufwirft – ohne Zweifel. Doch ist es auch lesenswert?

Beginnen wir mit der Handlung: Noch als Rose ein Baby ist, verlässt ihre Mutter Elise die Familie, sodass ihr Vater sie aufzieht. Natürlich will Rose irgendwann wissen, was für ein Mensch ihre Mutter war – in einem Disput mit ihrem Vater fällt der Name Constance Holden, eine bekannte Autorin. Mit ihr unterhielt Elise in den 1980er Jahren eine Beziehung, die damals noch längst nicht so einfach öffentlich gelebt werden konnte. In der Zwischenzeit ist Constance bzw. Connie gealtert und sucht eine Assistenz, sodass sich Rose eine Gelegenheit bietet, ihr näherzukommen, um mehr über ihre Mutter herauszufinden. Also gibt sie vor, eine andere zu sein, was sie belastet, weil sie ihre „Enttarnung“ befürchtet. Doch das ist es ihr wert, zu erfahren, dass die Connie völlig verfallene Elise ihr nach Hollywood folgte, was Elise‘ Beweggründe waren (Connie war ein Stückweit Mutterersatz), wie glamourös beider Leben war und wie Rose dann geboren wurde. Dabei sind die Parallelen zwischen Elise‘ und Rose‘ Leben frappierend.

Die Geschichte strotzt geradezu vor großen Themen (Beziehungen im Allgemeinen, lesbische Beziehungen in den 1980ern, Mutter-Tochter-Beziehungen, Verlust und verwehrte Mutterliebe, Sehnsüchte, Entscheidungen, selbstgestaltetes Leben – die Liste ließe sich nachgerade beliebig fortsetzen) und großen Emotionen. Da Jessie Burton zu schreiben vermag, ist man fasziniert von diesem „Dreiecksverhältnis“ (Mutter und Tochter „verfallen“ der gleichen Frau) zweier unreifer Frauen zu einer leicht Mata-Hari-haften älteren Frau. Da bleiben auch unangenehme Passagen nicht aus … doch das ist nicht der Grund für den Abzug.
Der liegt darin begründet, dass dem Buch irgendwo „die Puste ausgeht“: Was mit akribisch gezeichneten komplexen Personen großartig beginnt, flacht irgendwann ab, die Beziehungen wirken teils blutleer, eben ganz so als wäre alle Energie der Autorin in den Beginn der Geschichte geflossen, dann aber immer noch mehr Text entstanden, der dann ein wenig vor sich hindümpelt. Und so bleibe ich ein wenig ratlos zurück, ob das Buch wirklich lesenswert ist …