Drei Figuren auf drei Kontinenten in drei Epochen - ein etwas zu breit ausgewalzter Roman um den Kollaps von Ökosystemen

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Die Landarbeiterin Tao aus China, der Naturwissenschaftler William aus England und der amerikanische Bienenzüchter George sind die Hauptfiguren in Maja Lundes Roman, der auf drei Kontinenten und in drei Epochen spielt. Im China des Jahres 2098 sind durch den Klimawandel, Pestizide und Monokultur längst die Lebensbedingungen für Bienen zerstört. Darum müssen Landarbeiterinnen alle Obstbäume von Hand bestäuben. Bildung ist überflüssig geworden, weil in Taos postapokalyptischer Welt nur geschickte, gehorsame Landarbeiter benötigt werden. Fleisch kann nicht mehr erzeugt werden, weil es nicht zu schaffen ist, die Futterpflanzen auch von Hand zu bestäuben. Tao will sich mit den Verhältnissen nicht abfinden und erhofft sich für ihren kleinen Sohn Wei-Wen ein besseres Leben. Als Wei-Wen plötzlich erkrankt und vom System in aller Heimlichkeit fortgebracht wird, wächst Tao auf der Suche nach ihrem Kind über sich hinaus.

William war als junger Mann ein vielversprechender Wissenschaftler, der nach einer kurzen Karriere als Saatguthändler und der Gründung einer kinderreichen Familie nun offenbar an Depressionen erkrankt ist. Als er sich mit der Konstruktion eines Bienenkastens beschäftigt, der ihm die Beobachtung von Bienen ermöglicht, scheint William sich wieder zu fangen.

George ist in den USA mit einer Strukturkrise der Imkerei konfrontiert, die er lange nicht wahrhaben will. Er will sie so wenig wahrhaben wie den Nachfolgekonflikt um seinen Betrieb und plant weitere Investitionen, obwohl er von der Arbeit körperlich längst ausgelaugt ist. Auch wenn Georges Sohn Tom erfolgreich studiert und ein Promotionsstipendium angeboten bekommt, kann George lange nicht von dem Gedanken lassen, dass sein Betrieb nur vom Sohn fortgeführt werden kann und die Fachkenntnisse der älteren Generation nur auf diesem Weg weitergegeben werden können.

Die Bienen als Symbol für das Leben und für funktionierende Öko-Systeme verbinden die drei Schicksale. Am spannendsten fand ich, die von Maja Lunde entwickelten Persönlichkeiten kennenzulernen und herauszufinden, in welchem Verhältnis sie zur Imkerei und zu den Bienen stehen. Anrührend waren für mich die Ähnlichkeiten in der Reaktion von Eltern in allen Epochen. Hier trifft man als Leser Väter, die starrsinnig am Sohn als Nachfolger festhalten, keinen Plan B, keine Kompromisse kennen wollen. Sie verschließen deshalb die Augen davor, evtl. andere fähige Betriebsnachfolger als die eigenen Söhne zu schulen. Letztlich ist es diese Art von Starrsinn der älteren Generation (hier der Väter), der kreative Problemlösungen verhindert und unseren Planeten gerade an den Rand des Abgrunds steuert. Ein kompliziertes Eltern-Kind-Verhältnis besteht auch zwischen Tao und ihrem Staat, der seine Bevölkerung gern auf dem Niveau von Grundschulkindern halten möchte, weil sie so willig ihre Pflicht tun und keinen unerwünschten Träumen nachhängen. Die Vater-Sohn-Konflikte als Nebenhandlung und universeller Stoff für Familien-Romane waren leicht nachvollziehbar und vorhersehbar, so dass ich die folgende Handlung bis zur Auflösung privater und ökologischer Konflikte etwas zu breit ausgearbeitet fand.