Getrennte Wege

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regenprinz Avatar

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Da der dritte Band von Elena Ferrantes neapolitanischer Saga nicht ganz so umfangreich wirkte wie sein Vorgänger, von dem ich ja ein bisschen enttäuscht war, habe ich die Geschichte um die beiden Freundinnen Lila und Elena weitergelesen.
Der Roman erzählt nun aus ihrem Erwachsenenleben, das sie größtenteils getrennt voneinander verbringen und oft lange ohne Kontakt zueinander. Die Figuren sind mir rasch wieder vertraut gewesen, auch die Entwicklungen der Familien im Rione schienen mir schlüssig. Sehr viel Raum nimmt im Buch die Politik ein, gewalttätige Auseinandersetzungen häufen sich, Kommunisten und Faschisten treten auf der Straße oder in Hörsälen gegeneinander an. Italien im Umbruch? Durch ihre Arbeit in der Wurstfabrik wird Arbeiterin Lila in das alles verstrickt, doch sie wäre nicht Lila, wenn sie keinen Weg fände, sich dem Ganzen zu entziehen und ihr Leben wieder nach ihrem Willen auszurichten, statt es anderen zu überlassen.
Erzählerin Elena schafft es in diesem Band erneut nicht, meine Sympathien zu gewinnen bzw. zurückzuerobern (als Mädchen im ersten Band war ihr das noch gelungen). Auf S. 452 stolperte ich dann zufällig über eine Formulierung, die für mich sehr treffend beschreibt, was mich grundlegend an diesem Roman stört: Die "exzessive Selbstbespiegelung". Weniger davon, stattdessen mehr Spannung und tragfähige Handlung und ich wäre nach wie vor angetan von dieser Saga. Aber für meinen Geschmack versteckt sich die eigentliche Geschichte hinter zu viel zähem, zerfasernden, selbstquälerischen Sinngeplänkel. Es ist wie ein negativer Sog, den ich da zwischen den Zeilen spüre und der mir das Lesen verleidet.
Das Auftauchen Ninos und das Romanende schaffen es dann trotzdem wieder, dass ich wissen will, wie das alles noch weitergeht. Ich erinnere mich auch an den mysteriösen Beginn mit Lilas Verschwinden im Auftaktband und vermutlich werde ich daher auch Band 4 noch lesen. Aber insgesamt bin ich weder wirklich begeistert noch überzeugt von dieser Reihe, obwohl ich Setting und Schauplatz echt interessant finde.