Beklemmende feministische Dystopie

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INHALT
Die moderne Metropole und Hauptstadt Südwestasiens Green City wirkt auf den ersten Blick wie ein Paradies. Doch der Schein trügt, denn das Verhältnis von Männern und Frauen ist aufgrund eines für Frauen tödlichen Virus ins Ungleichgewicht geraten. Um das Überleben der Gesellschaft zu sichern, sind die Bürgerinnen von Green City per Gesetz dazu verpflichtet, mindestens drei Gatten parallel zu haben, um möglichst effizient für Nachwuchs sorgen zu können. Wer sich weigert wird eliminiert.
Um der Zukunft als Gebärmaschine zu entgehen, flieht Sabine in die Panah - einen geheimen Zufluchtsort für Frauen, die sich gegen das System auflehnen. Nachts bieten die Rebellinnen aus dem Untergrund einen höchst illegalen Dienst feil, etwas, was in Green City von Grund auf unterdrückt wird - sie bieten Intimität ohne Sex.
(Quelle: Golkonda Verlag)

MEINE MEINUNG
In ihrem dystopischen Roman „Die Geschichte der schweigenden Frauen“ entwirft die pakistanische Autorin und Journalistin Bina Shah eine beklemmende Zukunftsvision, in der Frauen in der männerdominierten Gesellschaftshierarchie keine Rechte haben. Nach einer apokalyptischen Katastrophe ist das Geschlechterverhältnis in eine beängstigende Schieflage geraten und Frauen sind ein kostbares Gut. Zum Erhalt der menschlichen Spezies werden sie lediglich auf ihre reproduktive Funktion als gebährfähiger Körper und ihre Rolle als fürsorgliche in Haus und Heim Mutter reduziert.
Bina Shahs Roman liest sich als eine interessante, aufrüttelnde Parabel über gesellschaftliche Missstände und die Rolle der Frauen in repressiven muslimischen Ländern, in denen ihre Rechte als Bürger zweiter Klasse tagtäglich missachtet werden.
Die Autorin erzählt ihre Geschichte aus sich abwechselnden Blickwinkeln, so dass wir uns schrittweise ein immer umfassenderes Bild von den Zuständen in dieser fiktiven Diktatur in Südwestasien und den Schicksalen der Frauen machen können. Aufgrund einer krankheitsbedingten Reduzierung des Frauenanteils in der Bevölkerung in der nahen Vergangenheit hat sich die Situation der Frauen derart verschlechtert, dass sich eine Handvoll Rebellinnen der Kontrolle des totalitären Systems von Green City entzogen haben. Insbesondere die Einschränkung der körperlichen und sexuellen Selbstbestimmung der Frauen und die Vereinnahmung des weiblichen Körpers durch den totalitären Staat zum Nutzen der gesamten Gesellschaft sind erschreckend und stimmen angesichts der Parallelen zu aktuellen Begebenheiten nachdenklich.
Im Mittelpunkt des Romans steht die junge Protagonistin Sabine und ihr Schicksal. Um einer Zwangsverheiratung mit mehreren „Ehegatten“ oder einem vorschnellen Tod zu entgehen und ihre Freiheit zu bewahren, ist sie in die Panah, einem unterirdischen Refugium für Frauen, geflüchtet. Abgetaucht in die Illegalität müssen sie alle nun ein Leben im Verborgenen führen. Das Leid der Frauen im Widerstand gegen den Staat wird in unterschiedlichen Episoden sehr nachdrücklich thematisiert und so wird schnell deutlich, dass auch die Rebellinnen keineswegs ein freies, unbekümmertes Leben führen können. Sehr anschaulich und eindringlich führt uns die Autorin ihren eintönigen, trostlosen Alltag vor Augen - ein strikt geregeltes, diszipliniertes Leben, das darin besteht der Führungsriege dieser patriarchalen Welt mit ihrer seltsam verqueren Sexualmoral als besänftigende Dienerinnen tröstende Nähe zu spenden und als eine Art asexuelle Einschlafhilfe zu dienen. Aus ihrer lakonischen, nüchternen Sichtweise schildert Sabine ihre Erlebnisse im „emotionalen“ Schichtdienst mit einem ihrer zudringlichen Kunden und mit ihren Freundinnen im Panah, bis es schließlich zu einer sehr überraschenden Wendung kommt und die Ereignisse zu überschlagen beginnen.
Als Leser gewinnt man allmählich immer tiefere Einblicke in die Lebensrealitäten dieser Rebellinnen und die schockierenden Abhängigkeiten dieser Art von Widerstand. Letztlich ist ihr Leben ein beklemmendes, perspektivloses Dahinvegetieren, das ihnen aufgezwungen wird und das die meisten mit widerspruchsloser Lethargie akzeptieren.
Leider entwickeln die Charaktere im Laufe der Handlung kaum Eigeninitiative, um sich grundsätzlich gegen das totalitäre System aufzulehnen, der erhofften Widerstand im Großen zu leisten und die Zustände für alle Frauen zu verbessern. So fehlt zum Ende hin leider ein hoffnungsvoller Ausblick, denn alle „Rebellinnen“ scheinen bis zum traurigen Ende in ihrer passiven Rolle gefangen zu sein und als Ausweg bleibt ihnen nur der selbstbestimmte Tod oder die Flucht aus dem Land.

FAZIT
Eine aufwühlende, feministische Dystopie mit einer beklemmende Zukunftsvision, die nachdenklich stimmt.
Trotz einiger Schwächen eine lesenswerte, beklemmende Parabel über die Rolle der Frauen!