Ernüchternd!

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straßenprinzessin Avatar

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Als die Sonne in den frühmorgendlichen Himmel steigt, tut mir das Herz so weh, dass ich fast meine es würde meinen Brustkorb sprengen, um hunderte schwarze Vögel freizulassen, die die Luft verdunkeln und mich mit ihrem Flügelschlag fast blind machen. Ihre verzweifelten Leiber schlagen auf alles ein, was ich in meinem Kopf noch als hell und freundlich empfinde. (Seite 258/259)

Das Buch von B. Shah ist voll mit wundervollen Textperlen, die mich regelmäßig begeistert haben, leider war der Verlauf bis dahin aber immer wieder ernüchternd.
Ich habe starke Frauen in einer dystopischen Welt erwartet, die sich mit Mut widersetzen, für ihre eigenen Prinzipien einstehen und bereit sind, für neue und faire Rechte zu kämpfen. Quasi Feminismus in Reinform. Leider muss man bei “Die Geschichte der schweigenden Frauen“ mit ansehen, wie die Frauen mehr und mehr an Selbstsicherheit verlieren, ihre Prinzipien selbst nicht genau kennen oder oftmals aus Eigennützigkeit über Board werfen. Ganz furchtbar fand ich dabei Lin. Mir blutet da echt etwas das Herz, denn am Anfang mochte ich sie mit am meisten, aber nach jeder umgeblätterten Seite hat mich ihre bestimmende Art und ihre scheinheilige Doppelmoral total genervt. Autoritär und mit einer gewissen Arroganz führt sie die Panah, die ihr mehr oder weniger vererbt wurde, an. Dabei, und das finde ich schon fast lächerlich, sind sie keine kleine und geheime Rebellengruppe, sondern nur geduldete Weiber von Lin ihrem Gönner. Versuche, es anders aussehen zu lassen, haben mich leider absolut nicht überzeugt. Und das wirklich schlimme: ihn mochte ich mehr als Lin oder eins ihrer Mädchen. Er ist ein dämonischer Unterdrücker mit sympathischen Zügen, dessen Rolle sich zum Ende hin einfach ins Nichts verlaufen hat. Meiner Meinung nach wurde mit ihm das meiste Potenzial verschenkt. Über die anderen Figuren würde ich am liebsten gar nicht reden, denn auch wenn man von ihnen selbst Gedanken und Gefühle erzählt bekommt, so wirken sie dennoch für mich von vorne bis hinten wie Schattenwesen. Ihre Existenz ist mir im großen und ganzen immer total egal gewesen und ihre Persönlichkeiten haben sich meiner Meinung nach kein bisschen positiv entwickelt. Gerade gegen Ende fand ich Sabine und Anhang total unstimmig und unausgereift. Ein paar mehr Seiten zum Ende hin hätten der Geschichte bestimmt gut getan. Denn nach der letzten Seite habe ich mich irgendwie total vor den Kopf gestoßen gefühlt und nach dem lesen der Danksagung (bei welcher die Autorin ausführlich betont wie sehr sie Ermutigt, Gedrängt und Unterstützt werden musste) fühlt sich das Buch noch mehr wie ein Krampf an.

Manchmal überkommt mich eine Welle von Traurigkeit über die Lage, in der wir alle stecken, wie zerbrechlich unsere inneren Barrieren gegen den Verrat sind, der uns auf so viele Weisen zustoßen kann, innerlich und äußerlich. (Seite 49)

Ich habe stundenlang in den Spiegel gestarrt, um diesen Gesichtsausdruck zu perfektionieren. Er fällt mir nicht leicht. (Seite 13)

Allein die Textperlen sind der Grund für die 3 Sterne. Die einzelnen Sichtweisen der Figuren, die abwechselnd zur Sprache kamen, konnten mich nicht überzeugen und auch das Cover gefällt mir nicht besonders gut.