Viel Klang, wenig Tiefe

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esclimont Avatar

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„Die Geschichte des Klangs“ wurde vollmundig angekündigt als ein Roman in der literarischen Tradition von John Williams – einem Autor, dessen leise Intensität und atmosphärische Dichte ich sehr schätze. Umso größer war meine Enttäuschung: Denn was Ben Shattuck hier vorlegt, bleibt leider in vielerlei Hinsicht oberflächlich.
Die Idee einer geheimen Liebe zwischen zwei jungen Männern im Schatten des Ersten Weltkriegs ist durchaus vielversprechend, ebenso der poetische Rahmen der Klangsuche – zwei Musikstudenten, die durch das sommerliche New England ziehen, um Volkslieder auf Wachszylinder aufzunehmen. Doch diese Konstellation bleibt seltsam leblos. Die Beziehung zwischen Lionel und David wird behauptet, nicht entwickelt. Ihre Liebe, die der Roman angeblich in den Mittelpunkt stellt, bleibt vage, angedeutet, ohne emotionale Fallhöhe – weder Zartheit noch Dringlichkeit wollen sich einstellen. Die behauptete »eigentliche Liebe« dieses Lebens wirkt leider mehr wie eine literarische Idee als eine gelebte Erfahrung.
Hinzu kommt die fragwürdige Entscheidung, in einer ohnehin sehr schmalen Novelle von kaum 100 Seiten zusätzlich noch einen Zeitsprung und einen Perspektivwechsel einzubauen. So entstehen im Grunde zwei voneinander getrennte Erzählstränge, denen jeweils kaum 50 Seiten bleiben. Das reicht nicht, um Figuren Tiefe zu verleihen, Beziehungen auszugestalten oder Atmosphäre entstehen zu lassen. Statt Verdichtung entsteht Fragmentierung.
Sprachlich ist der Text durchaus sensibel, stellenweise auch schön komponiert. Doch er bleibt, wie sein Titel, eher ein Nachklang – ein zarter Ton, dem es an Substanz mangelt.
Dieser Roman verspricht durchaus eine intensive Liebesgeschichte, getragen von psychologischer Tiefe und stilistischer Wucht – jedoch ohne dieses Versprechen auch zu halten.