Viele offene Fragen

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readaholic Avatar

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Auch den vierten Teil der Neapel-Sage habe ich als Hörbuch gehört, ganz hervorragend gelesen von Eva Mattes. Durch ihre unaufgeregte und natürliche Sprechweise macht sie das Zuhören zu einem wahren Genuss.
Die Geschichte setzt da an, wo Teil 3 aufhört, nämlich in den 1970er Jahren. Lenuccia und Lila haben sich beide von ihren Partnern getrennt und sind in neuen Beziehungen. Lenu ist endlich mit Nino zusammen, für den sie schon als junges Mädchen schwärmte. Dass sie ihn in einem völlig falschen, verklärten Licht sah, wird schnell klar.
Die Beziehung zwischen den beiden Freundinnnen ist immer noch schwierig. Es gibt Zeiten, in denen sie überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Erst als Lenu wieder nach Neapel zieht, intensiviert sich ihre Beziehung wieder, vor allem als die beiden zeitgleich schwanger werden. Beide bringen ein Mädchen zur Welt, die sie beide nach ihren Müttern benennen. Die beiden Mädchen, Imma und Tina, wachsen quasi als Geschwister auf. Doch dann geschieht ein großes Unglück.
Neben der persönlichen Ebene beleuchtet Elena Ferrante auch die gesellschaftliche Situation im Italien der 70er bis hinein in die 90er Jahre, regelrechte Hinrichtungen auf offener Strasse (Mafiamorde?), Korruption und Vetternwirtschaft.
Der vierte Teil dieser Bücherreihe hat mich wieder in den Bann geschlagen, allerdings gab es Teile, die ich sehr schwierig fand. Vor allem Lilas „Auflösung“ nach dem großen Erdbeben, in dem sie minutenlang völlig wirres Zeug von sich gibt, fand ich schwer zu ertragen.
Wir begleiten die beiden Frauen bis zum Alter von ca. 60 Jahren. Lenuccia spricht von sich als „alter Frau“, was mich auch seltsam berührt hat, denn mit 60 ist man heutzutage doch nicht alt? Interessant fand ich auch die Beziehung Elenas zu ihren Töchtern, die ganz und gar nicht problemlos ist. Dass die Mädchen unterschiedliche Väter haben, macht das Ganze auch nicht einfacher.
Ich habe die Neapel-Saga sehr gern gehört, hätte mir aber gewünscht, dass nicht so viele Fragen offen bleiben. Am meisten hätte mich das Schicksal des verlorenen Kindes interessiert, doch das bleibt der Fantasie des Lesers überlassen.