Das Boot heißt Hoffnung

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hennie Avatar

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Nach der „Die Geschichte der Bienen“ legte Maja Lunde nun „Die Geschichte des Wassers“ vor. Der Klappentext setzte in mir eine Erwartung frei, die ich nach dem Lesen des Buches nur in Ansätzen erfüllt sah. Der Anspruch, den das Thema Klimawandel bedingt, wurde m. M. nach mit diesem Buch nicht erfüllt. Das liegt nicht am Unvermögen der Autorin sich auszudrücken, sondern wie sie ihre Hauptpersonen (vor allem Signe) agieren läßt und wie die beiden Handlungsstränge miteinander verbunden werden. Doch der Reihe nach:

Auf 474 Seiten läßt die Autorin die Ich-Erzähler Signe und David abwechselnd zu Wort kommen. Diesen ständigen Wechsel empfinde ich nicht gerade als Vorteil. Vor allem bei der norwegischen Protagonistin Signe, die ja aus der Gegenwart im Jahre 2017 berichtet und immer wieder in die Vergangenheit in ihren Erinnerungen abdriftet, erscheint das sehr einseitig und teilweise sehr engstirnig. Ihr Verhalten bezeichne ich als übermotiviert und oft unangemessen. Der Kampf Signes gegen das Wasserkraftwerk in ihrer Heimat kommt mir vor wie ein Kampf gegen Windmühlen. Sie ist eine couragierte Umweltaktivistin für die es keine Grenzen gab und gibt, mittlerweile um die 70 Jahre alt. Die Naturschützerin sucht ihre alte Heimat mit dem Ziel auf, den Abbau des Gletschereises zu boykottieren. Die Leute holen aus dem Gletscher das Eis, damit es die Reichen in den Wüstenstaaten in ihren Drink geben können. Sie packt resolut einige Kisten ein und macht sich mit ihrem Segelboot auf den beschwerlichen Wasserweg nach Frankreich zu ihrer Jugendliebe Magnus, der inzwischen dort lebt. Und ab hier fragte ich mich, wann nimmt denn die Geschichte nun richtig Fahrt auf? Was bezweckt Signe mit ihrem Tun? Warum macht sie das?

Die andere Handlungsebene beginnt im Jahre 2041 in Frankreich. David, ein sehr junger Vater, befindet sich mit seiner Tochter Lou auf der Flucht aus seiner Heimat, einem Ort namens Argelés. Das Traumziel sind die im Roman namenlosen „Wasserländer“ im Norden, weil eine große Dürre herrscht, das Land verbrannte. Das Wasser wurde immer knapper. Beide stranden erst einmal in einem Flüchtlingslager bei Timbaut. Dort wollen sie auf die Mutter Anna und das Baby August warten, die sie auf der Flucht aus den Augen verloren hatten. Die Verhältnisse im Lager sind katastrophal. Als David und Lou das Boot in einem verwilderten Garten in der Nähe finden, war mir klar, wie Signe von vor 24 Jahren ins Bild paßt...

Maja Lundes Schreibstil empfand ich wie schon bei den „Bienen“ als angenehm. Es läßt sich gut lesen. Sie besitzt ein großes Erzähltalent, was sich aber für mich nicht in der Logik ihres gesamten Romans widerspiegelt. Die Autorin beschreibt ein großes Thema, das mich in der Art und Weise, wie es mit den Geschichten um David und Signe erzählt wurde, leider nicht wirklich überzeugte.
Schon bei den Bienen fehlte mir das wirklich verbindende Element in der Geschichte, das Große und Ganze. Hier beim „Wasser“ wird auf gesellschaftliche Verhältnisse so gut wie gar nicht bzw. sehr vage eingegangen. Es sind nur 24 Jahre, die vergehen, aber wo sind die Anzeichen einer Wasserkatastrophe beschrieben? Wo ist die beängstigende, bedenkliche Gefahr? Es wird, wenn überhaupt, nur postuliert.

David und Signe bleiben als Charaktere zu blass. Die anderen Personen im Roman sind leider nur Randfiguren, die dem Leser zur Begutachtung, Betrachtung, Beurteilung aus der Sicht der Erzähler vorgestellt werden. Auch sie blieben mir zu farblos. Insgesamt fehlte mir eine ausreichende Erörterung der beunruhigenden Fakten rings um das Thema Wasser.

Maja Lunde macht es mir sehr schwer eine Bewertung zu finden. Die „Bienen“ haben mir trotz ebenfalls einiger Abstriche besser gefallen. Da es keine halben Sterne bei Vorablesen gibt, vergebe ich statt 3,5 Sterne 4 Sterne.