Die Wichtigkeit des Klimathemas verliert sich

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In dem zweiten Werk von Maja Lundes geplanten Klima-Quartett wird die sensible Ressource Wasser aufgegriffen, welche bereits heute in hohem Maße überstrapaziert wird.
Dies sieht auch Signe, deren Leben und Tun auf der Vergangenheitsebene (2017) beschrieben wird. Die 70-jährige Umweltaktivistin reist nach langer Zeit in ihre Heimat an der norwegischen Westküste, welche kaum noch wiederzuerkennen ist und stetiger Veränderungen durch die Eingriffe des Menschen unterliegt. Eingriffe durch Menschen, die ihr einst sehr nahe standen, wie ihrer Mutter oder ihrer ehemaligen Liebe Magnus. Seine Bewilligung große Mengen Gletschereis abzubauen, um exklusives Eis aus Norwegen vermarkten und in die reichen Wüstenstaaten transportieren zu können, macht Signe nicht nur fassungslos, sondern auch wütend. Sie sabotiert den Abbau und will Magnus persönlich konfrontieren. Auf ihrer Segeltour gen Frankreich erfahren wir durch Signes Rückblenden mehr über ihre Vergangenheit und die Entwicklung ihrer persönlichen Beziehungen.

Der nicht allzu große Sprung nach Frankreich in das Jahr 2047 und die dort vorherrschenden Klimaveränderungen werden durch David beschrieben, der mit seiner kleinen Tochter Lou aus der Heimat fliehen musste. Die Fünfjahresdürre führte, wie in so vielen Ländern, zu einem Brand, welcher nicht nur Heim nahm, sondern auch zahlreiche Familien entzweite. David und Lou gelangen in ein Flüchtlingslager, im welchem sie ausharren wollen, bis die Familie mit Anna und Auguste wieder vollständig ist. Es vergehen Tage, schließlich Wochen und die anfängliche Hoffnung auf ein Wiedersehen schwindet zunehmend. Was auch schwindet, sind die Nahrungsrationen und der Wasservorrat zum Trinken und Waschen. Die Situation im Flüchtlingslager spitzt sich immer weiter zu, führt nicht nur zu Unmut, sondern auch Gewalt. David und Lou entdecken auf ihren Spaziergängen Signes Boot. Ein Boot, das ihnen eine Aufgabe gibt und eine Chance auf Überleben in den Wasserländern.

Mit Signe wurde eine eigenwillige und mir sympathische Persönlichkeit konstruiert, deren Einsatz für die Erhaltung der Natur bereits in Kindheitstagen befördert wurde. Die Profitgier ihrer Mutter kollidierte mit den Ansichten ihres Vaters, der Signe schon früh die Bedeutung der Natur und den Schutz bedrohter Tierarten nahelegte. Zwischen Mutter und Tochter sowie zwischen den Eltern kam es nach dem Bruch nie wieder zu einer Annäherung.
David wurde mir mit der Zeit leider immer unsympathischer. Der Verlust seiner Frau und seines Babys führten ihn schnell in die Arme einer anderen Frau (zwischendurch sogar einer weiteren), deren gemeinsames Vergnügen mir angesichts der prekären Lage zu viel beschrieben wurde. Seine Beweggründe lassen sich nur schwer erschließen, er erscheint oft unreif und verantwortungslos.
Diese unzähligen persönlichen Ausführungen auf beiden Zeitebenen führen zu dem größten Kritikpunkt an der Geschichte. Es steht außer Frage, dass Erzählungen über das vergangene/gegenwärtige Leben der Protagonisten wichtig für den Aufbau der Geschichte sind, doch ich hätte mir eine stärkere Balance gewünscht. Die gewählte Thematik bietet so viel. Zwar finden schmelzende Gletscher, Klimaerwärmung, ausgetrocknete Gewässer und irreparable Eingriffe durch den Menschen Eingang in die Geschichte, doch diese werden lediglich kurz angerissen und der Leser erfährt weder wie es zu der Dürre, noch zur Aufspaltung in Wasser- und Wüstenländer kam oder welche Länder überhaupt darunter gefasst werden. So hätte Signe auf dem Weg quer durch das Meer dem Müll begegnen können, der sich jährlich häuft und drastische Folgen für die Meeresbewohner hat, Überfischung, Verschmutzung durch Schiffe oder der abnehmende Sauerstoff. Stattdessen erfahren wir über die kleinen und großen Beziehungsdramen, Versöhnungen und Entzweiungen der Figuren. Das Leben im Lager wird dagegen sehr realistisch beschrieben. Hier zeigt sich die hervorragende Recherchearbeit der Autorin, die den Lesern ein authentisches und bedrückendes Bild vermittelt.
Die Verflechtung der beiden Zeitperspektiven erfolgt minimal und enttäuscht. Ich hätte mir mehr erhofft, als dass Signe ein Boot für die Zukunft "bereitstellt". Auch passt das kleine auf dem Cover abgebildete Ruderboot nicht zu Signes "Blau", das eigentlich ein großes Segelboot ist und sie durch manche Stürme geführt hat.
Der Schreibstil, welcher häufig aus aneinandergereihten Sätzen und Gedanken besteht, ist gewöhnungsbedürftig, aber stört den Lesefluss nicht. Lediglich das Nachschlagen aufeinander folgender Fachbegriffe der Seefahrt und dazugehöriger Manöver (gemeint sind nicht Steuerbord und Backbord) wurde ich irgendwann überdrüssig. Das soll nicht heißen, dass ich keine Lesefreude empfunden habe. Das Buch bewegt auf eine ganz eigene Weise und regt zur Selbstreflexion ohne erhobenen Zeigefinger an.
Vergleiche zum ersten Werk kann ich nicht anstellen, da ich dieses noch nicht gelesen habe. Sein Hype lässt jedoch vermuten, dass es manchmal besser ist, keine Fortsetzungen an einen Erfolg anzuknüpfen. Lesen werde ich die noch kommenden Teile dennoch, da mich das Thema sehr interessiert.

Fazit: Leider zu wenig Fokussierung auf das angesteuerte Klimathema, zu viel Drumherum. Hoffnung lege ich auf den dritten Teil, der hoffentlich stärker die uns alle betreffende Endlichkeit unseres Planeten einbindet.