Einfach wunderbar!

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monerl Avatar

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Wer den ersten Teil gelesen hat, weiß genau, dass das Leben für Elena und Lila kein Zuckerschlecken war. Die Nachkriegszeit war hart, der Rione ein Dorf, die Menschen ungeschliffen, grob, oftmals gewalttätig, jeder kämpft um seinen Platz in der Gemeinschaft und um den finaziellen und gesellschaftlichen Aufstieg. Dabei ist fast jedes Mittel recht.

Lila hat es geschafft! Die Frauen und Mädchen im Rione missgönnen ihr die Hochzeit mit Stefano, dem finanziell gutgestellten Lebensmittelhändler. Mit 16 hat sie eine eigene Wohnung, ist frei von der eigenen Familie und kann Geld ausgeben wie sie möchte. Gerade Lila, die, die sich nicht an Konventionen hält, die laut, ungebildet und unbeherrscht ist. Was für eine schreiende Ungerechtigkeit!

Doch Lila ist nicht dumm. Noch während der Hochzeitsfeierlichkeiten erkennt sie die Abhängigkeit ihres Mannes von den kriminellen Mächten des Rione. Und in der Hochzeitsnacht lernt sie schnell die Regeln dieser zukünfitgen Ehe. Sie fühlt sich belogen und betrogen und schon so weit am Anfang erkennt der Leser / Hörer mindestens ansatzweise, wie Lilas (Ehe)Leben weitergehen wird. Doch Lila ist stark! Sie nimmt an was sie muss, um ihre Ziele zu erreichen. Nichts ist gesetzt. Was sie nicht akzeptieren kann oder will, nimmt sie in Angriff, auch wenn sie selbst dabei zugrunde geht. Lilas Welt steht nie still.

Elena dagegen kommt aus ihrer Verklemmtheit und Verkrampfung nicht heraus. Ihre Scheu gegenüber ihren Wünschen und Träumen lässt sie immer passiv handeln, sich immer den Umständen entsprechend anpassen anstatt selbst zu agieren. Ganz deutlich wird dies auf Ischia, als Elena von Lila im Kampf um Elenas (heimliche) Liebe Nino ausgestochen wird, weil Lila ihn sich nimmt, da Elena nie den Mut hatte laut kundzutun, dass sie in Nino schon lange verliebt ist.

Die Liebe zu Nino entzweit die beiden Mädchen. Während Lila innerhalb ihrer Ehe und den daraus folgenden Zwängen irgendwie weitermachen muss schafft Elena den Sprung aus Neapel. Sie besteht die Aufnahmeprüfung für das Studium in Pisa. Sie entfernt sich weit von der Gesellschaft ihres Geburtsortes und ebenso von Lila. Doch auch in Pisa schafft sie den Sprung zu echten und gleichwertigen Freundschaften nicht. Der Rione und ihre Familie sind ein Hemmschuh. Keine familiären und akademischen Beziehungen, kein Geld, keine entprechenden Kleider und somit keine Chance eine von "ihnen" zu werden. Die 50er und 60er Jahre waren eine schwere Zeit für inteligente und gebildete Frauen. Man wollte sie einfach nicht nach vorne lassen. Dies zeigt Elena Ferrante wunderbar und ganz deutlich am Schicksal von Elena und Lila.

Wo Lila ihr Glück erzwingt hat Elena manchmal einfach so Glück. Die Freundschaft und spätere Verlobung mit Pietro, einem angesehenen jungen Mann mit vorbestimmtem Berufsweg an der Universität, einer angesehenen und wohlhabenden Familie eröffnet ihr die Möglichkeit, ein Buch zu veröffentlichen und plötzlich Autorin mit eigenem Verdienst zu sein. Endlich etwas, das ihre Eltern greifen können. Elenas schulische und universitäre Ausbildung hat sich (doch noch) verdient gemacht.
Doch dann läuft ihr, auf einer Lesung zum Buch, ein alter und fast vergessener Freund über den Weg...

Mit diesem Cliffhänger hat Elena Ferrante einen gelungenen Abschluss geschaffen. Die Spannung könnte kaum höher sein! Werden die Würfel wieder neu gemischt?

Was vielen Autoren oftmals nicht glückt, ist ein Folgeband, der noch besser ist als der Vorgänger. Elena Ferrante hat auch das vollbracht! Absolute Leseempfehlung mit weiterhin großem #FerranteFever!