Fortsetzung mit Längen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
regenprinz Avatar

Von

Ich frage mich manchmal, ob es diesen seltsamen Fluch des zweiten Bandes tatsächlich gibt - oder woran es liegen mag, dass Fortsetzungen im Vergleich zum Auftaktband oft Schwächen aufweisen. Nun gibt es in der sogenannten E-Literatur deutlich weniger Reihen und Fortsetzungen als im U-Bereich, aber für mein Empfinden scheint leider auch Elena Ferrante nicht vor diesem Fluch gefeit. Und dabei hatte ich mich so sehr auf diesen zweiten Roman um die beiden Freundinnen aus dem Rione gefreut ...
Die besondere Stärke des Kindheitsromans war jedoch für mich vor allem die beeindruckende Atmosphäre, die die Autorin schuf und die aus jeder Seite des Buches atmete. Im Roman über die späteren Jugendjahre der beiden Mädchen ist davon viel weniger zu spüren, zumindest war das mein Eindruck. Ja, der bunte Figurenreigen ist immer noch beeindruckend, die Verhältnisse sind immer noch gut skizziert, aber wirklich tief eingetaucht bin ich in die Lektüre dieses Mal nicht. Woran es lag? Vielleicht daran, dass ich beim Lesen mehrmals den Verdacht hatte, dass es dieser Fortsetzung gut getan hätte, sie auf dasselbe Romanmaß wie den ersten Band zu kürzen. Vieles wird ausgewalzt, ohne wirklich Neues zu bringen oder den Leser mitzureißen. Die ausschweifenden Schilderungen von belanglosen Nichtigkeiten, Routinen, Strandgeplänkel u.ä. ermüdeten mich zwischendurch eher, als dass sie mich fesselten.
Gelegentlich fiel mir auch auf, wie wenig Sympathien ich eigentlich den Figuren und ihrem Verhalten entgegenbringe. Ja, Lilas Alltagseben als junge Ehefrau ist furchtbar und Elena gegenüber war ich bereits im ersten Buch zwiegespalten, aber nun konnte ich das freundschaftliche Band zwischen den beiden fast gar nicht mehr nachvollziehen. Auch Elenas Reaktion auf Lilas Affäre (ausgerechnet mit dem Mann, den Elena immer schon anbetete!), löste ob ihrer Nüchternheit eher ein Kopfschütteln bei mir aus. Da wirkten die Figuren nicht mehr wirklich lebendig auf mich, sondern konstruiert.
Ansonsten ist der Roman über weite Strecken natürlich trotzdem lesenswert, auch wenn ich mir z.B. gewünscht hätte, die Anfänge von Elenas Schreibkarriere etwas ausführlicher erzählt zu bekommen, denn gerade ihre Zeit in Pisa fand ich interessant. Aber wenn ich ehrlich bin, war der spannendste Moment im ganzen Buch für mich der fiese Cliffhanger am Schluss - da hätte ich liebend gerne weiter gelesen. Ob ich mir den nächsten Band jedoch gönne, sollte ich vermutlich nach seinem Umfang entscheiden ...
Schade, ich hatte mir von dieser Fortsetzung mehr erhofft.