ein genialer blick hinter die kulissen des kunstbetriebs

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blätterwald Avatar

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Alles richtig gemacht, Herr Rachman. Ein Roman, der zwar nicht gerade vor sympathischen Figuren so strotzt, was manch einen Leser stören mag. Aber die Figuren sind glaubwürdig und mehrdimensional beschrieben und sie handeln sie, wie sie es tun müssen und nicht, wie der Leser es sich wünscht. Und was mir am meisten gefallen hat, war die dauernde durchschimmernde Kritik am ganzen Kunstzirkus. So wie die Chefin der Petros Galerie zum Kunstkritiker sagte, wenn er nicht als Depp dastehen möchte, hat er das Spätwerk von Bavinsky gefälligst gut zu finden, ansonsten sorge sie dafür, dass sein Ruf auf dem Spiel steht.
Bear Bavinsky, gefeierter Maler der Nachkriegszeit, Vater von ungezählten Kindern, zigmal verheiratet. Aber als Maler bleibt er sich konsequent treu, auch wenn er dadurch dem Leser sehr oft unsympathisch wird. Er ist Bear Bavinsky durch und durch. Sind ähnliche Dinge nicht auch von Thomas Mann bekannt, der alles seinem Schreiben unterordnete?
Dann haben wir seinen Sohn, Pinch oder Charles mit bürgerlichen Namen. Derjenige, der den intensivsten Kontakt zu seinem Vater hat, andere Geschwister sind darauf neidisch, und derjenige, der seinem Vater nacheifern und ihm gefallen möchte und doch daran scheitert. Er selbst möchte auch malen, aber ein einziger Satz seines Vaters zerstört all seine Träume, auch wenn man im Nachhinein erfährt, wie dieser Satz gemeint war. Künstler funktionieren eben anders. Aber trotzdem bleibt Pinch immer an der Seite seines Vaters, fast eine zerstörerische Symbiose. Und auch Pinch ist nicht gerade der Protagonist, den man unbedingt sympathisch findet. Seine wenigen Liebschaften sind auch nicht so einfach, aber es passt zur Figur des Charles Bavinsky. Aber es gelingt ihm auch, lebenslange Freundschaften aufzubauen und selbst zu seiner Halbschwester Birdie baut er ein recht intensives Verhältnis auf.
Das Kunstmetier und die Familie. Zwei Themen, die hier sehr geschickt miteinander verwoben wurden. Lange dachte ich, diesem Roman nicht mehr als vier Punkte geben zu können. Doch sein Blick in die Kunstwelt und wie sie funktioniert, so real und so sarkastisch, allein das verdient die volle Punktzahl. Und dann seine Figuren und deren Handeln, immer konsequent und es gibt keine Brüche. Scheitern und Erfolg, wie dicht liegt beides beisammen. Und wie leicht lässt sich nicht nur das menschliche Augen täuschen, nein, der ganze Mensch und eine Ansammlung von Menschen. Wenn man nur weiß, wie. Pinch führt es vor. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. „Du wirst nie ein Künstler werden“. Eindeutig eigentlich der Satz. Nur was man daraus alles machen kann, wenn man offen ist und die Scheuklappen abnimmt.
Lebhaft und glaubhaft beschrieben, das Buch habe ich verschlungen und kann es jedem nur empfehlen. Die Art, wie Rachman beschreibt und schreibt, einfach nur gut. Dieser Roman steht den Unperfekten in nichts nach. Nur leider wird er sicher nicht so viele Anhänger finden. Umgangssprachlich schon krasser Stoff. Nicht nur die Kunstwelt betreffend, auch die Familie kommt nicht gut dabei weg. Aber so ist es nun mal, das Leben, im Großen wie im Kleinen.