Grausame Heuchelei

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marialein Avatar

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Warum gibt es eigentlich immer wieder Kriege? Um, wie so oft behauptet, westliche Werte wie Freiheit und Demokratie in anderen Ländern zu schützen? Ganz und gar nicht. Jürgen Todenhöfer deckt in seinem neuesten Buch auf, dass dieser Vorwand allein als Rechtfertigung der Machthaber dafür dient, dass sie in ihren völkerrechtswidrigen Kriegen nur ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen.

Jürgen Todenhöfer ist jahrzehntelang in die Krisen- und Kriegsgebiete dieser Welt gereist und hat das Elend vor Ort live miterlebt. Wenn jemand weiß, wie krass der Widerspruch zwischen dem, was Politiker und Medien und tagtäglich vorpredigen, und dem, was die Menschen dort erleben müssen, ist, dann er. Die westlichen Mächte, allen voran die USA, nehmen Tausende Ziviltote in Kauf, unter dem Vorwand, Terroristen oder Diktatoren zu bekämpfen oder für andere „ehrenhafte“ Ziele. Andererseits bleibt die Bevölkerung in den Ländern, an denen der Westen kein Interesse hat, auf der Strecke, wie die Rohingya, die aus ihrem eigenen Land vertrieben und völlig unmenschlich behandelt werden. Warum ist der Westen der Meinung, in Afghanistan einmarschieren zu müssen, um Mädchen Schulbildung zu ermöglichen, hält sich aber bei diesem krassen Verstoß gegen die Menschenrechte völlig raus? Der Grund ist immer der gleiche: „Macht, Märkte und Moneten“.

Es scheint erst einmal schwer zu glauben, dass Politiker tatsächlich in der Lage sind, solche Taten zu begehen. Dennoch geht der Autor die verschiedenen Konflikte der heutigen Welt einen nach dem anderen durch und weist immer wieder nach, dass militärische Einsätze des Westens nie den Kampf für Werte zum Ziel haben, sondern immer nur die Interessen der Regierenden. Was ja an sich nicht so schlimm wäre, wenn sich an der Lage für die Bevölkerung tatsächlich etwas bessern würde. Leider ist aber immer wieder das Gegenteil der Fall – Folge der Einsätze sind verletzte und getötete Zivilisten, Verlust von Hab und Gut und Massenflucht als einziger letzter Ausweg.

Wie soll man aber sonst in Ländern, in denen Terroristen oder Diktatoren herrschen, oder bei scheinbar unlösbaren Konflikten wie in Gaza vorgehen? Todenhöfer plädiert ganz im Sinne Gandhis für einen gewaltlosen Widerstand. Seine Haltung ist durchaus schlüssig, setzt aber natürlich voraus, dass die Menschen endlich einsehen, dass Gewalt keine Lösung ist. Und den nötigen Mut aufbringen – wie schrecklich zu erfahren, dass in Syrien bereits Frieden herrschen könnte, wenn eine einzelne Person mehr Courage gezeigt hätte…

Hoffnung macht er aber dennoch, und zwar mit den Worten: „Wenn die Menschen des Westens die volle Wahrheit über die Kriege ihrer Regierungen erfahren würden, wären Kriege nicht mehr möglich. Genau deswegen sagt ihnen kein Politiker die Wahrheit. Genau deshalb schreibe ich meine Bücher.“ Wenn dieses Buch also auch nur einen kleinen Beitrag zum Weltfrieden leisten kann, kann ich nur dringend empfehlen, dass jeder dieses Buch liest. So schmerzhaft das Geschilderte zu lesen und Fotos anzusehen sind, ist es doch ein sehr lesenswertes und wichtiges Buch.