Die grüne Bluse meiner Schwester

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cracklinrosie Avatar

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Diese Rezension wird keine einfache Geschichte, denn das Buch lässt sich nicht so einfach kategorisieren. Es ist kein rechtes Familiendrama und passt auch sonst in keine literarische Schublade.

Die Protagonistin (und Ich-Erzählerin) des Buches, Frida, hat keinen einfachen Stand im Leben. Man kann getrost sagen, dass sie sowohl ihre Schwester als auch die Mutter hasst oder zumindest verachtet. Beide bilden eine feste Einheit und halten zusammen und damit gegen sie als jüngere Tochter. Lediglich der Vater gibt ihr hin und wieder das Gefühl von Zugehörigkeit zur Familie. Ausgerechnet diese Bezugsperson stirbt und mit seiner Beerdigung beginnt das Buch seinen Reigen um Fridas Leben.

Immer wieder tauchen Blicke in die Vergangenheit auf, die durch die Ich-Form sehr intensiv geraten. Ihre Kindheit wurde geprägt vom Außenseiter-Dasein innerhalb der Familie und auch dem entsprechenden Neid auf die ältere Schwester - die zugegebenermaßen ein echtes Schätzchen ist, die niemand wirklich gerne als Schwester hätte   ![Verschlossen](http://www.vorablesen.de/sites/all/libraries/tinymce/jscripts/tiny_mce/plugins/emotions/img/smiley-sealed.gif "Verschlossen")

Sie wächst auf in einer Atmosphäre der Angst (wegen der strengen Eltern), Neid und dem extremen Empfinden von Ungerechtigkeit auf. Dementsprechend hat sie Probleme beim Heranwachsen zur Frau. Sie erträgt Berührungen nur schlecht - weil es in ihrer Kindheit für sie kaum einmal Streicheleinheiten gab - und hat eigentlich niemanden, mit dem sie wirklich über alles reden kann. Die in der Verlagsbeschreibung erwähnten "guten Freunde" kann ich leider nirgends im Buch finden. 

Entsprechend planlos ist auch ihre berufliche Entwicklung: abgebrochenes Studium, Jobs in einer Wäscherei, einer Parfümerie und letztlich in einer Zeitung, angeworben vom Konkurrenzblatt um einen vernichtenden Artikel (von Frida geschrieben) über das Schmierblättchen heraus zu bringen. Ihre "Kollegen" sind allesamt recht verschrobene, teils versoffene Gestalten, mit denen sie eigentlich gar keinen Umgang möchte. Ausgerechnet im Verhältnis zu diesen Schreiberlingen entsteht jedoch immer mehr eine Art Zugehörigkeitsgefühl. Die Empathie mit den Kollegen wächst kaum spürbar vor sich hin. 

Diese beiden Handlungsstränge bilden den Kern des Buches. Ein stetes Wandern zwischen nicht existierender (aber heiß ersehnter) Familie und dem Job, der eigentlich im Geheimen stattfindet. 

Geschrieben ist das Buch recht locker und wirklich gut zu lesen - wenn man sich darauf einlassen kann, dass eigentlich nicht so wirklich etwas passiert und alles nur so vor sich hin plätschert. Stellenweise verfügt es über typisch nordischen, etwas schrägen Humor, den ich persönlich sehr schätze. Gegen Ende nahm es nochmal etwas Fahrt auf - jedoch muss ich sagen, dass es insgesamt recht vorhersehbar war. Zumindest habe ich nahezu alle Wendungen vorhersehen können. Das hat mich etwas gestört, denn dadurch war es für doch etwas spannungsarm. Durch den schönen Schreibstil kam ich damit jedoch sehr gut zurecht.

Fazit: Es ist ein recht unterhaltsames, auch durchaus tiefer gehendes Buch, jedoch sicher nicht für jeden Durchschnittsleser.