Die bewegende Geschichte einer starken Frau

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gaudbretonne Avatar

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„Auf in die deutsch-deutsche Vergangenheit zur Realisierung der eigenen Träume“, so könnte der Untertitel dieses gelungenen Frauenromans lauten, der über Spannung, Romantik und einen geschichtlich fundierten Background deutscher Zeitgeschichte verfügt.

Der 656—Seiten starke, zweite Teil „Die Heimkehr der Störche“ der „Gutsherrin-Saga“ von Theresia Graw beginnt im Jahr 1952. Die Störche kehren heim. Dies kann aus der Sicht der Protagonistin Dora nur das Zeichen sein, dass sich nun endlich alles zum Guten für sie und ihre Familie wendet. Dora wuchs als Gutsherrentochter auf einem großen Gestüt in Ostpreußen auf und liebt es seit jeher mit Tieren zu arbeiten. Als ihre Familie am Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Heimat fliehen muss, findet sie Zuflucht auf einem Hof in der schönen Lüneburger Heide. Allerdings gestaltet sich der beengte Alltag und das Zusammenleben mit der griesgrämigen Bäuerin zunehmend problematisch. Außerdem vermisst sie ihre große Liebe, den Vater von ihrer Ziehtochter Clara, den sie in Berlin wähnt und den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Als sich ihr die Chance bietet, dort ihren Traum zu realisieren und in der DDR Tiermedizin zu studieren, packt sie die Gelegenheit beim Schopf und fährt zu einem Bewerbungsgespräch an die Humboldt-Universität. Den sozialistischen Professoren ist eine adlige Bewerberin natürlich nicht recht. Sie müssen sich jedoch Doras Plädoyer für Gleichberechtigung geschlagen geben. Dora kann nun scheinbar endlich - wie es die Störche angekündigt haben - ein neues Leben beginnen. Doch diese Rechnung hat sie ohne den Kommunismus gemacht, der ihre Pläne nochmals gewaltig durchkreuzt.

Der Roman lebt von der starken Protagonistin, die die Herzen der Leser im Sturm erobert und enormes Identifikationspotential zum Mitfiebern vermittelt. Dora macht in dem Roman eine starke Entwicklung durch und verkörpert dabei wichtige Tugenden. Sie demonstriert, dass es sich lohnt, für seine Träume zu kämpfen, ohne dabei den eigenen Prinzipien untreu zu werden. Der geschichtliche Background wird dabei gekonnt in die fiktive Geschichte der Sie-Erzählerin integriert, deren Plot wahnsinnig spannend angelegt wurde. So lesen sich die ersten 350 Seiten wie im Fluge. Danach verliert der Text meines Erachtens an Glaubwürdigkeit, da Dora dann zu viele „glückliche Zufälle“ widerfahren, durch die sie alle Hindernisse bewältigen kann. Das grandios vermittelte 50er-Jahre-Flair und das damalige Lebensgefühl der Menschen in Ost und West wiegen hingegen einiges wieder auf.

Sprachlich zeichnet sich der Text durch einen flüssigen und kohärenten Stil aus, wie man es von geläufiger Belletristik kennt. Im Übrigen muss man den ersten Teil nicht gelesen haben, um in die Geschichte zu finden, da die wichtigen Ereignisse des ersten Teils gekonnt in den zweiten Band der „Gutsherrin-Saga“ integriert wurden.

Wer also einen „historischen“ Roman sucht, bei dem man mitfiebern und abtauchen kann, ist mit dieser Geschichte gut bedient!