Kampf der Seuche

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In Zeiten von Corona, in Zeiten, in denen die meisten von uns eine derartige Situation nie persönlich erlebt haben und von ihr völlig unvorbereitet getroffen wurden, stellt sich die Frage: Wie damit umgehen? Wie sind Menschen früher mit solchen Situationen fertig geworden?
Wenn man die kurze Inhaltsangabe und danach die relativ lange Leseprobe von "Die Henkerstochter und der Fluch der Pest" liest, scheint es fast wie zwei verschiedene Geschichten. Die Inhaltsangabe reizt mich sehr, das Buch zu lesen. Das gilt zum einen, weil ich Stil von Oliver Pötzsch, Leser in andere Zeiten zu versetzen, sehr schätze und mag. Ich mag seine Figuren wie den verschrobenen Henker Kuisl, die schlaue Henkerstochter Magdalena oder ihren Mann, den Medicus Simon. Aber auch die Thematik ist spannend. Es ist eine, die die in der jetzigen Corona-Zeit noch einmal ein anderes, besonderes Interesse hervorruft. Die Pest ist aber zugleich ein reales, ein historisches Ereignis. Pötzsch verknüpft also die Geschichte seiner fiktiven Figuren mit der tatsächlichen Geschichte. Das ist schon mal sehr reizvoll.
Die Leseprobe nahm für mich zu langsam Anlauf - mit dem Rattenfänger von Hameln (einer Geschichte, die eigentlich bekannt ist), mit dem Prolog und dann erst mit dem ersten Auftritt der (vertrauten) Figuren. Die Szenerie des Essens, bei dem sich die Henkerstochter und jetzige Bürgerin und Arztfrau Magdalena unwohl fühlt, hat mich auch noch nicht so ganz rein gezogen. Doch nach und nach gewann die Geschichte mehr an Fahrt. Pötzsch wartet mit einem ganzen Ensemble an Figuren auf, denn die Henkersfamilie bzw. Arztfamilie ist groß: Magdalena, ihr Mann Simon, die gemeinsamen drei Kinder, von denen Peter als Freund des Kronprinzen Max heraussticht, von denen Paul als Zweitältester ins "Geschäft" des Großvaters als Henker einsteigen will. Dann ist da auch die Situation von Magdalenas Bruder Georg, der beim Vater, dem Henker Jakob Kuisl in die Lehre gegangen ist und mit 27 Jahren immer noch hofft, ihm als offizieller Henker nachfolgen zu können. Georg ist im Status des Henkersgesellen einer der unteren in Schongau - und tut sich auch schwer, eine Frau zu finden. Mit 27 war man im 17. Jahrhundert normalerweise längst verheiratet ...
Und Jakob: Er ist griesgrämig, hängt am Alkohol, verschreckt potentielle Schwiegertöchter ...
Doch wenn man der Inhaltsbeschreibung glaubt, wird er im Laufe der Geschichte dann doch wieder eine Rolle spielen und mit Magdalena und Simon gegen die Pest kämpfen. Das klingt interessant. Genauso wie es für mich reizvoll ist, zu erfahren, wie sich die anderen Charaktere entwickeln, z.B. Peter, der mit seiner Rolle als Freund von Kurfürst Max hadert, z.B. Paul, der immer wieder in Schlägereien gerät, z.B. Georg ...
Ich würde mich SEHR freuen ENDLICH mal wieder ein Leseexemplar zu bekommen - gerne als Print, da ich es immer noch liebe, Bücher in Händen zu halten, notfalls aber auch als E-Mobi.