Einsamer Wolf ohne Rudel

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lesemöwe Avatar

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Nelsons Geschichte aus dem Roman "Die Herzen der Männer" vonNockolas Butler packt einen sofort. Die Einsamkeit des Jungen ist groß, so groß, dass sie schon in den ersten Zeilen spürbar, greifbar wird: "Morgens ist er dankbar dafür, allein zu sein. Abends jedoch hallen Lagerplatz und Wald vom leisen Gemurmel der anderen Jungen wider, man hört ihr helles Kichern
und ihre nächtlichen Gespräche, und das erinnert ihn an seine
eigene Einsamkeit." (Seite 12) / "Nelson hat keine Freunde. Weder hier, im Camp Chippewa, noch zu Hause in Eau Claire, in seiner Nachbarschaft oder in der Schule" (Seite 13 f.) / " Wünscht sich, seine Vormittage und Nachmittagewären nicht auf einsame Spaziergänge durch die Flure der Schule beschränkt oder auf endlose Patience-Spiele an den verwaisten
Tischen der Cafeteria. Andererseits, vielleicht ist das ja genau
der Mensch, der er ist, und niemand sonst. Manchmal, wenn
er sich mutig fühlt, geht er ganz in diesem Gedanken auf, stellt
sich vor, er sei ein einsamer Wolf ohne Rudel, der durch die Welt
wandert" (Seite 14).
Diese Einsamkeit wird verstärkt durch den Umgang des Vaters Clete mit seinem Sohn; er ist verständnislos, hart, scheint ihn durch Gewalt zu erziehen. Dies wird deutlich am Beispiel des Geburtstages, an dem Nelson tief enttäuscht ist, dass niemand von seinen Klassenkameraden, die er eingeladen hat, auftaucht. Gerade, als sein Vater ihn mit dem Gürtel verprügeln will, weil er bitterlich über diese Enttäuschung weint und sich nicht wie ein Mann benimmt, taucht doch noch ein Gast auf: Jonathan. Er ist etwas älter als Nelson und bringt ihm als Geschenk einen kleinen selbstgebastelten Korb mit und geht auch schon nach einer knappen halben Stunde wieder. Doch dieses Geschenk ist etwas ganz Besonderes für Nelson, wie die Metapher zeigt:"Aber es war der Korb, zu dem sein Blick immer wieder zurückkehrte. Eine unvollkommene, bezaubernde kleine Krone." (Seite 23). Es ist beeindruckend, wie die Gefühle des Jungen durch sprachliche Bilder verdeutlicht werden. Dies ist sicher mit ein Grund dafür, dass man so nah an Nelson ist und seine Gefühle so mitfühlt.
Das Pfadfinderlager ist wichtig für Nelson; er hat großen Ehrgeiz, weitere Abzeichen zu erlangen, die Lagerbetreuer sind sein Vorbild: "Sie verkörpern selbstverständlich genau das, was zu werden sein sehnlichster Wunsch ist: groß, stark, sonnengebräunt, geschickt, immer einen Scherz parat, mutig, rechtschaffen, freundlich." (Seite 29) und sie nehmen ihn ernst und "schließen ihn nicht aus der Herde aus, weil er zu schwach ist, und sie machen sich nicht über seine Andersartigkeit lustig." (Seite 30).

Ein berührender Roman, der sich mit vielen Themen zu beschäftigen scheint: Vater-Sohn-Beziehung, Anderssein, Adoleszenz, Freundschaft....
Man möchte den Weg mit Nelson gern ein Stück gemeinsam weitergehen, umzu erfahren, wie er seinen Weg weitergeht, wie es ihm ergeht und ob er das findet, was er sich so sehnlichst wünscht.