Manchmal ist weniger mehr - oder auch: zu viele Köche verderben den Brei.

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franci Avatar

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„Die Hornisse“

...konnte mich leider nicht begeistern. Auch wenn der Bezug zur Situation des geteilten Deutschlands und dem Mauerfall authentisch und interessant war, waren diese Rückblicke in die Vergangenheit bis zum Schluss lose Fäden, die zusätzlich zu den vielen Namen für Verwirrung sorgten. Für mich war die Handlung weder einfach noch schlüssig zu verfolgen. Daran konnte auch die regelrecht plötzliche Auflösung nichts ändern. Selbst wenn die Geschichte ausgiebig durchdacht und konzipiert wurde, war sie, selbst nach einem spannenden Ende, oberflächlich betrachtet eine verstrickte Aneinanderreihung verschiedenster Hinweise und Details, manche relevant, manche einfach unnötig, sowie Ereignissen in denen zu viele Akteure mitwirkten.

Marc Raabe schreibt flüssig und detailliert. Szenarien waren authentisch und gut vorstellbar geschildert. Der Ermittler Tom Babylon ist ein interessanter Charakter, der mir sofort sympathisch war. „Die Hornisse“ ist bereits der dritte Band um den LKA-Ermittler und die tiefen Einblicke in seine persönliche Geschichte sind bewegend, seine Gedanken und Reaktionen nachvollziehbar. Dass ein unmenschlicher Mord an dem erfolgreichen Musiker Brad Galloway Wahrheiten zutage führt, die das private Leben des engagierten Beamten nachhaltig beeinflussen und die letzten Jahre mit seiner Ehefrau und seinem Sohn Phil infrage stellen, war sowohl für ihn als auch für mich unvorhersehbar. Thriller, in denen Kinder eine Rolle spielen, sind auf eine gewisse Weise immer schwere Kost – und dieses Druckmittel integrierte der Autor am Ende gekonnt und fesselnd. Die wenigen grausamen Szenen und spannenden Ereignisse wurden bildlich beschrieben, packten und überraschten mich. Wie sich der Verlauf entwickelt ist nicht vorhersehbar – was unter anderem der Vielzahl von Geschehnissen, Personen, Vermutungen geschuldet ist. Aber selbst, wenn der mysteriöse Fall der „Hornisse“ aufgeklärt werden sollte ... Toms Geschichte geht weiter, die besessene Suche nach seiner toten Schwester bekommt durch eine erschütternde Entdeckung eine neue Richtung – doch ob ich die Reihe um den starken Polizeibeamten wegen dieser Entwicklung weiter verfolgen muss?!

Der Begriff „Die Hornisse“ tauchte erst nach über der Hälfte der 544 Seiten auf, und war am Ende nicht sonderlich relevant. Meinem Eindruck nach hat der Autor zu viel gewollt – verschiedene Vorfälle der Vergangenheit kombiniert mit einem aktuellen Mord, der aus Rache einem bekannten LKA-Ermittler angehängt werden soll, plus die persönliche Entwicklung von Tom Babylon, dazu kommen noch etliche Charaktere, die sowohl etwas zu dem Erzählstrang aus der Vergangenheit wie auch zu dem grausamen Mord an dem Rockstar, beitragen, zahlreiche Verdächtige, Motive, unbedeutende Indizien etc: manchmal ist weniger einfach mehr. „Die Hornisse“ büßt durch die vielen Verstrickungen in meinen Augen stark an potenzieller Spannung ein und ist eher ein solider Krimi mit einigen erschreckenden Szenarien als ein nervenaufreibender Thriller.