Viel Flair, wenig Geschichte

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kwinsu Avatar

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Eines Tages wird eine junge Frau an die Küste vor Stone Harbor in Maine angespült und von Ann und ihrer Freundin Julie liebevoll aufgenommen und aufgepäppelt. Wie sich herausstellt, war Mina, wie die "Meerjungfrau" heißt, bereits als Kind als Sommergast mit ihrer Familie öfter in der Gegend. Die drei Frauen werden zu einer freundschaftlichen Einheit, doch jede einzelne von ihnen hat mit der Liebe und dem Leben als Hummerfischerin zu kämpfen.

Üblicherweise erwähne ich das Cover in meinen Rezensionen nicht, aber jenes der "Hummerfrauen" verdient eine spezielle Erwähnung - der äußere Umschlag zeigt einen roten Hummer, während der Druck am Hardcover einen blauen zeigt - eine schöne Anspielung auf Ann's ungewöhnliches Haustier - den blauen Hummer Mr. Darcy. Nicht nur das Haustier ist ungewöhnlich (besonders, wenn man bedenkt, dass Ann die Tiere ansonsten fängt, um sich mit ihnen ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihnen so einen grausamen, im heißen Wasser eintretenden Tod beschert), sondern auch die Frauen selbst. Die eine - Ann - hat sich vor Jahrzehnten trotz des Widerstands des gesamten Dorfes durchgesetzt und ist Hummerfischerin geworden, obwohl das bislang nur Männern vorbehalten war. Auch Julie ist störrisch, vorlaut und derb und schert sich nicht um Konventionen. Mina hingegen ist eingeschüchtert und geprägt von ihrer herrischen und negativen Mutter, die ihr nie Liebe entgegenbringen konnte.

Die Sprache ist eingehend und angenehm zu lesen, die Geschichte springt zwischen den Jahren 2000/2001 und 1982, mit Ausnahme von Prolog und Epilog, die in der Gegenwart angesetzt sind. Die Zeitsprünge bringen eine willkommene Abwechslung in das Geschehen. Bedauerlicherweise dümpelt die Geschichte über weite Strecken so vor sich hin, zieht sich und ist nur wenig spannend. Als dann im letzten Drittel ein spannender Verdacht im Raum steht und sich das Blatt wenden zu scheint, wird dieser aber schnell wieder fallen gelassen. Das ist schade, denn es hätte der Geschichte eine entscheidende Wendung geben können. So verfolgen wir über weite Strecken Dorftratsch, gescheitere Beziehungen, bösartige Mütter und Nachbarinnen, unerfüllt und aufgegebene Lieben, Konflikte unter Freund*innen und das meist ohne Ziel. An vielen Stellen dachte ich beim Lesen an "Virgin River" in Maine. Viele Charaktere werden eingeführt und immer wieder erwähnt, ohne, dass sie für die Geschichte eine wesentliche Bedeutung hätten. Das Gefühl der rauen Landschaft und See konnte die Autorin sehr gut vermitteln, die Entwicklung der Charaktere und der Geschichte blieb aber größtenteils langweilig und vorhersehbar. Nach Beendigung des Buches habe ich das Gefühl, dass zwar viel, aber nichts wirklich erzählt wurde. Schade, besonders die Mutter-Tochter-Beziehung von Mina und ihrer Mutter Judith hätte Potential gehabt, wird aber leider auch nicht ansatzweise weiterverfolgt oder aus erzählt.

Mein Fazit: "Die Hummerfrauen" mag ein sommerlicher, leichter Roman sein, der oberflächlich von Freundschaft, Liebe und Konflikten erzählt und für alle empfehlenswert ist, die "Virgin River" lieben. Tiefe, Weiterentwicklung der Charaktere und Beziehungen und das große Ganze bleibt das Buch aber leider schuldig. Highlights sind die kurzen Sequenzen, in denen der blaue Hummer Mr. Darcy als Haustier vorkommt.