Ärgerlich

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sursulapitschi Avatar

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Eigentlich fängt dieses Buch sehr hübsch an. Cordelia Kings erzählt von ihrer Kindheit.
Auf Loosewood Island, einer kleinen Insel zwischen Canada und Amerika, lebt man beschaulich vom Hummerfang seit Generationen. Die Familie Kings gibt den Ton an, seitdem vor 300 Jahren Brumfitt Kings als erster die Insel besiedelt hat. Er war ein Maler. Noch heute besuchen Touristen die Insel, um Brumfitts Motive aufzusuchen. Und es rankt sich ein Mythos um seine Familie. Brumfitt soll eine Frau aus dem Meer geheiratet haben, eine Selkie vielleicht. Sie wurde ihm vom Meer geschenkt, reicher Hummersegen dazu, aber dafür muss jeder in der Familie seinen ersten Sohn an das Meer abgeben. Bis heute verehren die Kings Brumfitts Werk, und glauben an diesen Fluch. Das einfache Leben der Hummerfänger auf einer entlegenen Insel, durchwoben mit alten Mythen, die möglicherweise wahr sein könnten und bis in die heutige Zeit wirken, wird hier glaubhaft angelegt und macht neugierig, auch wenn man zwischendrin meint, es ist jetzt mal gut. Man hat hinlänglich verstanden, dass Cordelia die Einzige in der Familie ist, die den Ruf des Meeres hört und in die Fußstapfen ihres Vaters treten kann.

Schwierig wurde dieses Buch für mich, als Cordelia erwachsen ist. Da ist ganz plötzlich die Romantik der harten Realität gewichen. Fischer vom Festland versuchen in Loosewoods Fanggründe vorzudringen, was die Insulaner unterbinden möchten. Da gilt dann schlicht das Recht des Stärkeren, man schlägt mal eben den Rädelsführer zusammen, lässt zur Not auch Waffen sprechen. Um Daddy zu zeigen, dass sie ihren Mann stehen kann, stürzt sich Cordelia unbeirrt in jede Gefahr und steckt tapfer Prügel ein. Man bewundert gemeinhin ihren Mut. Ich wundere mich über ihre Dummheit.

Es war zu erwarten, dass die kleine Cordelia einst Papas Erbe antreten wird und als Frau die Hummerfischer anführt. Dass sie dazu Rambomethoden anwenden muss, hatte ich nicht erwartet und fand es zunehmend lächerlich.
Um Brumfitts Erbe nicht zu vernachlässigen, haben dann noch auffallend viele harte Seeleute einen Hang zum Musischen. Daddy hat sich als Schauspieler versucht und rezitiert Shakespeare, die Schwägerin töpfert, will sich aber als Hummerfanggehilfe verdingen und Cordelia malt wird erwähnt. Eigentlich fischt sie nur hobbymäßig, was dann im weiteren Verlauf des Buches wohl vergessen wurde. Dafür kann sie aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit alte Bilder Brumfitts mit der Gegenwart vergleichen.

Dieses Buch hat mich nach kürzester Zeit nur noch geärgert. Hier wird eine spannende Idee durch unausgegorene Figuren ruiniert, eine Handlung, die fesseln könnte, durch pseudomythische Schlenker zerrissen. Da steht man schon mal mit einer Schusswunde an Deck und bewundert Brumfitts Frau im Wasser. Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Immerhin habe ich eine Insel ein wenig kennengelernt, von der ich noch nie gehört hatte. Das Ambiente ist plastisch beschrieben. Dafür gibt es einen zweiten Stern. Allerdings hätte ich wirklich lieber einen Reiseführer gelesen.