Die Fäden des Schicksals

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jesssoul Avatar

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Ich möchte eigentlich diesmal niemanden mit einer Inhaltsangabe quälen, denn aufgrund der Vielzahl der Geschichten im Buch, wäre es sehr schwer, jetzt eine Inhaltsangabe zu machen, ohne zu viel über etwaige Verknüpfungen zu verraten.
Simon van Booy erzählt in seinem Buch "Die Illusion des Getrenntseins" die Geschichten mehrerer Einzelschicksale, oft über Jahre hinweg und unter vielen verschiedenen Lebensumständen, darunter z.B. von einem Soldaten im Krieg, einer blinden jungen Frau, die die Liebe findet und einem Hausmeister in einem Seniorenheim. Dabei vermag er jede dieser Personen so bildhaft und glaubwürdig zu beschreiben, dass der Wechsel von einer in die andere Perspektive für den Leser ohne Irritationen vorgeht, denn schon nach wenigen Worten wird man wieder in das Innerste einer anderen Person und einen anderen Schauplatz getragen, ohne dass man sich, wie in vielen anderen Büchern, erst wieder orientieren muss, um wen es gerade geht und wo dieser jemand gerade ist. Bei allen diesen Personen handelt es sich meiner Meinung nach um Ausnahmepersönlichkeiten, obwohl dieser Begriff für mich sehr weit hergeholt klingt, denn auch Ausnahmepersönlichkeiten treffen wir im wahren Leben sehr oft, auch wenn wir sie mitunter nicht auf den ersten Blick wahrnehmen. Und ich denke auch um diesen Punkt geht es hauptsächlich in diesem Buch. Jede Person erzählt in diesem Buch ihre Geschichte, doch sie kommt teilweise auch in der Geschichte eines anderen vor, allerdings augenscheinlich nur als Randperson. Dadurch wird der Leser gezwungen, beide Seiten zu betrachten: Einmal die Seite, die man sieht, wenn man einen flüchtigen Blick auf eine Person wirft, nämlich z.B. einfach einen alten Mann, der in ein Seniorenheim eingewiesen wird und auf der anderen Seite einen Menschen mit Geschichte und der Beschreibung der Erlebnisse, die ihn zu dem Menschen gemacht haben, der er heute ist. Und so stellt der Leser am Ende fest, dass alle diese scheinbar eigenständigen, oft an gänzlich verschiedenen Orten auf der Welt beschrieben Schicksale, miteinander sehr eng und oftmals auch unmittelbar verknüpft sind.
Das Buch lässt sich sehr schnell und flüssig lesen und man erahnt vielleicht zwischendurch die ein oder andere Verknüpfung, doch aufgelöst wird der Knoten erst nach und nach. Es ist erstaunlich, wie gut man sich in so kurzer Zeit in so viele verschiedene Menschen hinein versetzen kann und da gebührt der Dank eindeutig dem Autor.
Ich habe diese Schicksale mit Spannung und Neugier verfolgt und kann denjenigen, die an das Schicksal auch im positiven Sinne glauben, dieses Buch empfehlen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich ein etwas emotionaleres Buch erwartet hätte, es sich aber um eine, für meine Begriffe, eher nüchterne Schilderung handelte. Ich denke in dem Thema Schicksal und unsichtbare Bänder zwischen Menschen gibt es deutlich mehr Potenzial für einen Roman als in diesem Buch verwertet wurde. Daher gibt es von mir nur 3 Sterne, auch wenn dies sicherlich eine sehr subjektive Bewertung ist, weil mich das Buch zwar gefesselt, aber eben lange nicht ergriffen hat, trotz guter stilistischer Ausführung und sehr guter Menschenkenntnis.