Die Illusion des Getrenntseins

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Der Roman „Die Illusion des Getrenntseins“ von Simon van Booy erschien im Jahr 2014 im Insel-Verlag. Die deutsche Übersetzung der englischen Originalausgabe „The Illusion of Separateness“ erschienen bei Harper Collins Publishers, New York stammt von Claudia Feldmann.
Der Protagonist ist Martin, ein in die Jahre gekommener Mann, der trotz des Verlustes seiner Frau und seiner unbekannten Herkunft die Freude am Leben nicht verloren hat. Dazu gesellen sich einige Menschen, die Martins Geschichte im Laufe der Zeit beeinflusst haben oder in anderer Weise von ihr betroffen sind.
Martin wird als Baby in den Kriegswirren von Paris einer Frau in die Hand gedrückt, die ihn liebevoll wie einen eigenen Sohn aufziehen wird. Als Martin alt genug ist, erzählen ihm seine Eltern von dieser Begebenheit und wie es auch sie beide zueinander brachte. Durch Rückblenden wird der Leser mitgenommen auf die Reise verschiedener Personen, die zu der Abgabe des Kindes aber auch in die heutige Zeit führen sollen.
Thematisch zeigt Simon van Booy sehr eindrucksvoll auf, wie völlig verschiedene Leben zusammengehören können und vor allem wie ein Krieg sie alle verbinden kann. Getrenntsein, das ist nur eine Illusion, so die Botschaft.

Inhaltlich spannend ist das Verweben der zunächst unterschiedlich anmutenden Lebensgeschichten, die doch alle auf den gleichen Punkt zulaufen. Sprachlich setzt van Booy dabei auf fast poetische Ausdrucksweisen, z.B. „Liebe ist auch eine Verletzung und kann nicht ungeschehen gemacht werden“. Dabei ist seine Sprache immer nachvollziehbar und der Handlung angemessen. Als ich die Leseprobe las überkam mich eine gewisse innere Ruhe, die durch die bedächtige Erzählweise dieses Romans entstand. Auch nach dem Lesen des gesamten Buches bleibt ein unbestimmtes schweres Gefühl zurück. Einerseits eine Ruhe, andererseits auch so etwas wie Traurigkeit. Traurigkeit darüber, dass so viele Lebensgeschichten zusammenhängen können, ohne dass die Menschen davon wissen, sich teilweise sogar nie begegnet sind.

Für mich ist der Roman von Simon van Booy auf eine unbestimmte Weise genial. Die Verquickung von Ruhe und einem drängenden Gefühl von Neugier gelingt ihm ausnehmend gut. Ich würde den Roman für Lesestunden weiterempfehlen, in denen man zum Nachdenken und Innehalten bereit ist. Und neben all der schwere wartet „Die Illusion des Getrenntseins“ auch mit einer großen Liebesgeschichte, einer Geschichte über das Zurechtfinden in der Welt ohne Sehen zu können und anderen gehaltvollen Randerscheinungen auf. Wirklich gelungen.