Kreis des Lebens

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marapaya Avatar

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Zufall, Schicksal, Fügung oder Gotteswille – viele Bezeichnungen gibt es für Begegnungen, die aus der Rückschau fast nicht zustande gekommen wären. Ob man daran glaubt oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Simon van Booy will sich in seinem Roman auch nicht unbedingt auf einen dieser Begriffe festnageln lassen. Scheinbar willkürlich stellt er Personen und ihre Geschichten vor, die auf den ersten Blick gar nichts miteinander zu tun haben. Martin lebt 2010 in den USA, ist Hausmeister in einer Seniorenresidenz in Los Angeles und sieht die Menschen kommen und sterben. Allein durch seine Existenz hat er seine Eltern zusammengebracht, wäre als Baby um ein Haar in den Verfolgungen und Wirren des 2. Weltkrieges in Frankreich ums Leben gekommen. Mitten in Paris drückte ein Mann der Frau, die Martins Mutter werden sollte, das Kind in den Arm und sie ersuchte den Bäcker in der Nähe um Essen für den Kleinen. So trafen Martin und seine Mutter gemeinsam den Mann, der ihm ein Vater und ihr ein Ehemann werden sollte. Später erzählten sie dem angenommenen geliebten Sohn diese Geschichte und noch viel später verstand er, dass er ein Jude war und ihm ein Schicksal erspart geblieben war, von dem er aus so vielen Büchern und Dokumentationen erfahren wollte, wie ihm nur möglich war. Das Schicksal der Verfolgen wurde sein Spiegel, so schreibt Simon van Booy einen dieser unzähligen Sätze, die mich inne halten und staunen lassen. Seine Sprache ist voller Poesie und das Erzählen jeder Figur angemessen. Sie wachsen mir auf den wenigen Seiten, die jeder von ihnen zugedacht sind, ans Herz; feinfühlig gezeichnet und Raum für eigene Bilder lassend, habe ich das Gefühl alles und nichts von ihnen zu wissen.
Im Seniorenheim wurde Mr. Hugo willkommen geheißen und von seinem eigenen Begrüßungsempfang im Sarg wieder nach draußen getragen. Er starb in den Armen von Martin, der sich erinnerte, damals in Paris einen ähnlich entstellten Mann im Park gesehen und mit übrig gebliebenen Teilchen aus der Bäckerei versorgt zu haben. Martins Geschichte endet an diesem Punkt und ein Teil aus Mr. Hugos Leben in Manchester im Jahr 1981 wird erzählt. Von ihm geht es weiter zu Sébastien nach Frankreich ins Jahr 1968 und zurück nach Amerika, New York 1942 zu John. Noch weitere Figuren tauchen auf, teilweise verknüpft mit den bereits erwähnten. Alle Fäden scheinen im 2. Weltkrieg in Frankreich zusammen zu laufen, doch erst ganz am Ende erkenne ich den wohl komponierten Kreis und schließe ganz sacht den schmalen Band, berührt fahre ich noch einmal sanft mit den Fingern über den Einband und den Titel, wiege das Buch noch für einen Moment innehaltend in den Händen und glaube für mich an den Zufall, Schicksal, Fügung und Gotteswille.