Aufbrüche und Ankünfte

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theresia626 Avatar

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Der katalanische Autor Jordi Puntí beginnt seinen Roman „Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz“ mit den Erinnerungen der vier Brüder Christof, Christophe, Christopher und Cristòfol an ihren Vater Gabriel Delacruz. Es sind die Erinnerungen an einen Abschied nicht für wenige Tage, wie sie es von ihrem Vater gewohnt sind, sondern für immer. Dreißig Jahre später lernen sie sich kennen. Die vier Christofs haben alle den gleichen Vater, jedoch vier unterschiedliche Mütter und leben in Frankfurt, Paris, London und Barcelona. Christof spielt Theater, Christophe ist Dozent für Quantenphysik, Christopher hat einen Stand auf dem Markt und verkauft Schallplatten und Cristòfol ist Übersetzer aus dem Französischen. Sie wachsen wohlbehütet bei ihren jeweiligen Müttern auf, ohne dass diese sich kennen. Als ihr Vater Gabriel Delacruz Expósito seit über einem Jahr nicht mehr die laufenden Kosten für seine Wohnung in Barcelona bezahlt, nimmt die Polizei Kontakt zu Cristòfol auf. Er entdeckt in der Wohnung seines Vaters eine Mappe mit wichtigen Papieren. Sie enthält Namen, Adressen und Geburtsurkunden seiner Halbbrüder, so dass er sie ausfindig machen kann. Bei den gemeinsamen Treffen, die jedes fünfte Wochenende stattfinden, versuchen die Brüder, das Leben ihres Vaters zu rekonstruieren. Er hat viele Jahre für ein Umzugsunternehmen gearbeitet. Die Straßen in Europa waren sein zweites Zuhause. Gabriel wird an einem Morgen im Jahr 1941 vor einer Markthalle von seiner Mutter ausgesetzt und verbringt seine Kindheit in einem Waisenhaus. Bundó, der gleichfalls in dem Heim lebt, wird sein engster Freund. „Ihre Freundschaft hielt ein ganzes Leben lang, sie überdauerte die Tyrannei des Kinderheims ebenso wie die Tyrannei der Umzugsfahrten, und nur ein schreckliches Unglück vermochte die beiden zu trennen.“ (S. 32) Was geschah und was sind das für Einzelheiten des Unglücks, die für eine ganze Reihe von Menschen verhängnisvoll und schicksalhaft waren?

Wie das Inhaltsverzeichnis zum Buch verrät, lebt irgendwo auf dieser Welt noch ein fünfter Bruder mit seiner Mutter. Doch bis der Leser hiervon erfährt, wird es wohl noch eine Weile dauern. Jordi Puntí hat mit „Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz“ einen interessanten Roman geschrieben, der inhaltlich und erzähltechnisch ungewöhnlich ist. Dass er in Spanien schon mehrere Auszeichnungen bekommen hat, spricht für seine Qualität. Ich bin sicher, dass man ihn nicht verpassen sollte.