Verlorene Koffer

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buecherfan.wit Avatar

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In seinem Roman “Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz (katalanischer Originaltitel: “Maletes perdudes”) erzählt Jordi Punti die Geschichte des Möbelpackers Gabriel Delacruz Expósito, der spurlos verschwand und das gleich mehrmals. Als die Polizei seinen Sohn Cristòfol in Barcelona ausfindig macht, weil sich der Vermieter des Vaters wegen der seit langem ausbleibenden Mietzahlung gemeldet hat, stößt dieser auf eine ganz unglaubliche Geschichte. Nicht nur, dass sein Vater etwa zehn Jahr in dieser Wohnung in Barcelona gelebt hat und sie sich jeder Zeit hätten begegnen können, es kommt noch schlimmer: Auf einem Zettel steht viermal der Name Christof in den landesüblichen Varianten mit einem unterschiedlichen Nachnamen. Der katalanische Sohn findet heraus, dass er Halbbrüder in Frankfurt (Christof), London (Christopher) und Paris (Christophe) hat. Sie alle wurden zusammen mit ihren Müttern vor bald 30 Jahren verlassen. Die Brüder kommen sich näher und beschließen, den Vater zu suchen und sein Geheimnis zu ergründen.

Der für diesen Roman mehrfach ausgezeichnete Autor wählt eine interessante Erzählstruktur für seine Geschichte. Wenn er das erste Kapitel aus der Sicht eines “Wir” schreibt, ist das kein Pluralis Majestatis, sondern Ausdruck der Tatsache, dass die Vier identische Erinnerungen haben: an katalanische Lieder und Geschichten, an die kurzen Aufenthalte des Vaters in ihren Familien, vor allem aber an die traurigen Abschiede. Als sie zwei, drei, vier und sechs Jahre als waren, sahen sie ihren Vater zum letzten Mal. Jetzt sind sie in den Dreißigern und machen sich auf die Suche. Wer ist oder war dieser Mann, der sie verlassen hat, so wie er selbst von seiner Mutter verlassen wurde? Er war ein Schauspieler und notorischer Lügner, der nie einen Fehler machte und sich nie verriet, aber was steckt dahinter? Warum hat er sich für ein derartig kompliziertes Leben entschieden, nur um dann daraus zu verschwinden?

Erzählt wird mit zahlreichen Rückblenden - auch in die fünfzig Jahre zurückliegende Kindheit des Vaters in einem Waisenhaus. Nacheinander werden die Brüder zu Ich-Erzählern ihrer eigenen Geschichte und setzen so gemeinsam das Puzzle der Erinnerungsstücke zusammen.

Mir gefällt die Leseprobe sehr gut. Sie ist sprachlich und erzähltechnisch anspruchsvoll und verspricht eine lohnende Lektüre.