Geschichte voller Sprachwitz und Phantasie

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
rebekka Avatar

Von

Es gibt Autoren, die spinnen so wundersame Geschichten, dass man mit ihnen in eine andere Welt eintaucht und gar keine Lust hat, wieder zurück zu kehren. Für mich gehört neben Carlos Ruiz Zafón neuerdings auch sein spanischer Landsmann Jordi Punti dazu. Von den ersten Seiten an zieht er die Leser mit seiner verrückten Geschichte vom Möbelpacker, der in vier Ländern Europas vier Söhne zeugt und ihnen - jeweils in der Landessprache - allen den Namen Christof gibt, mit seinem Sprachwitz und seiner überbordenden Phantasie in den Bann. Ohne jede Action und obwohl er Dialoge nur sparsam einsetzt, versteht er es, Spannung zu erzeugen und über viele Seiten zu halten.

Dabei bedient er sich einer wunderbaren, bildhaften Sprache, um die sich andere Autoren häufig vergeblich bemühen. So ist eine Uhr in einer verlassenen Wohnung für ihn nicht einfach nur stehen geblieben. Er fabuliert vielmehr: „Eine Wanduhr, stehen geblieben um drei Minuten nach eins, hatte es satt, aus eigener Kraft zweimal täglich um ihr Zifferblatt zu laufen und bat schweigend darum, dass jemand sie aufzog.“ Und eine Fahrt mit der Fähre leitet er ein mit den Worten: „Zu der Jahreszeit, Anfang Oktober, war der Ärmelkanal ein enger Korridor, in dem die Winde spielten wie die Großstadtkinder“.

Sehr geschickt lässt Punti alle vier Söhne, die Gabriel im Kleinkinderalter ohne Abschied verlassen hatte und die erst nach seinem endgültigen Verschwinden als erwachsene Männer voneinander erfahren, nach und nach zu Wort kommen. Sie treffen sich in ihren Heimatstädten und beschließen, den Vater zu suchen. Aus Hunderten von Geschichten, die sie sich und dem Leser erzählen, entsteht nach und nach das schillernde Bild eines Mannes, der „ein passiver Don Juan war“ und „in Liebesdingen schlicht und einfach nicht Nein sagen konnte“.

Zum Schluss sind alle Rätsel gelöst und der Leser kann das Buch nach 605 Seiten beruhigt zur Seite legen. Das Ende ist ein wenig banal, aber das schmälert den guten Eindruck nicht.