Tolles Buch

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steineinhorn Avatar

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Der Roman ,,Die Kannenbäckerin " von Annette Spratte erschien am 06.01.2021 im Francke Verlag.

Auf dem Cover ist eine Schale im Vordergrund ,die von offensichtlich weiblichen Händen gehalten wird.Eine schöne Anspielung auf den Titel.

In den Irrungen und Wirrungen zum Ende des 30 jährigen Krieges verliert die 13 jährige Johanna ihre gesamte Familie an die Pest und ist von heute auf morgen auf sich alleine gestellt. Wie es der Zufall wollte erfuhr sie kurz vorher das sie noch einen Onkel hat. Auf den Rat der Nachbarin macht sie sich verkleidet auf den weiten Weg zu ihm und so wird aus Johanna Johann. Ihr stetiger begleiter ist der Jagdhund ihres Vaters. Die neu gewonnene Freiheit als Junge gefällt ihr so gut das sie sich ihrer verbliebenen Familie auch als Johann vorstellt. Kann sie diese Lüge aufrecht erhalten??

Die Autorin hat einen erfrischend leichten Schreibstil dem man ohne große schwierigkeiten Folgen kann. So ist das Buch auch flott durchzulesen. Besonders die fein gezeichneten Charaktere gefallen mir sehr gut. Johanna ist mir von Anfang an total sympathisch. Man leidet mit ihr , als ihr Vater überraschend stirbt und kann ganz genau nachfühlen wie sie an diesem Punkt das Vertrauen in Gott verliert. Gefangen in der Trauer und voller Selbstzweifel macht sie sich auf denWeg und erfährt wie gut Jungs behandelt werden wenn sie alleine unterwegs sind. Das schickt sich zu der damaligen Zeit nämlich nicht für Mädchen. Mädchen sind maximal gut zum Putzen und für die Küche. Aus diesem Denken heraus kann ich auch gut verstehen warum sie sich ihrer unbekannten Familie als Junge vorstellt , getrieben von der Angast, das sie als Mädchen wahrscheinlich wieder fort gejagt würde.
Den mürrische, bärbeißigen Onkel, von Gicht und schmerzen geplagt habe ich sofort ins Herz geschlossen, frei nach dem Motto Hunde die bellen beißen nicht, erkennt er das potential von Johann*a und bringt ihr nach und nach alles bei was sie wissen muss. Er lässt sie sich auch kreativ austoben und fordert sie sowohl psychisch und auch physisch und stellt sie hier und da auf wirklich harte Proben.
Tante Luise ist auch ein toller Charakter sie ist streng aber liebevoll und blüht durch Johann*a richtig auf. Frei nach dem Motto, mein Mann hat zu Hause die Hosen an ,aber ich bestimme die Farbe, regiert sie den Hof mit fester Hand und alle haben ihre Aufgaben. Sie hat einen unglaublichen Gerechtigkeitssinn und scheut sich auch nicht davor ihrem Mann richtig die Stirn zu bieten und ihn auch auf gegebene Versprechen fest zu nageln.
Der damaligen Zeit weit vorraus wie ich finde, noch dazu in so einem kleinen Dorf im Westerwald.
Der Knecht, Jost und Walli ,die Magd, laufen einbisschen nebenher, halt so wie es früher war, aber man kann sich gut über sie amüsieren und so ergänzen sie das Leben auf dem Hof ungemein.

Ich finde das Buch wirklich sehr gelungen. Es hat mich direkt gefangen genommen.
Vom 30 jährigen Krieg liest man nicht viel und die Angst, der Schrecken,die plünderungen und entführungen waren mir so nicht bewusst. Die Autorin hat den Krieg geschickt in die Geschichte eingeflochten so das sie nicht überladen ist davon. Auch die Einblicke ins Töpfern und Brennen sind so schön beschrieben, das man am liebsten gleich selber zu Ton, Scheibe und Brennofen greifen würde. Besonders spannend finde ich auch die unaufgeregte Entwicklung die Johanna durchmacht. Es zeigt so deutlich das die Menschen von früher viel besser mit gegebenen Situationen umgehen konnten (S.142 Z.25 ,,Du stirbst nicht." (...) Z.33 ,,Du hast deine monatlichen Blutungen bekommen.")
Von da an war sie halt Johanna natürlich mit einigen schwierigkeiten aber es war ja nicht zu ändern.
Weiterhin bekommt man einen guten Einblick wie es auf so einem Hof zu geht wie sehr sie damlas ums Überleben kämpfen mussten und wie sich die Männer der Zunft gegenseitig das Leben schwer machten.
Obwohl alle gläubig, war sich jeder erst mal selbst der nächste.
Das einzige was mir wirklich nicht gefallen hat war die Anspielung auf die Hexengeschichte. Es wirkt in dieser ganzen in sich sehr stimmigen Geschichte auf mich,wie ein Fremdkörper und auch irgendwie nur reingeschoben, weil es vielleicht zur damaligen Zeit gehörte, um es mal behandelt zu haben... Man weiss es nicht.
Für mich hätte es das nicht gebraucht.
Ich möchte auf jeden Fall am liebsten jetzt in den Westerwald fahren und mir alles was mit Töpfern ,Brennen etc zu tun hat, angucken. Und das ist das größte Lob was ich der Autorin aussprechen kann.
Eine klare kaufempfehlung von mir.