Braun kariert

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griseldis2000 Avatar

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Wieder eine Geschichte aus der Nazizeit. Als gäbe es davon nicht schon genug. Aber doch spiegelt das Leben dieser Kinderheimleiterin einen neuen, bis dato nicht gelesenen Eindruck. Wie war es, als nicht nazibegeisterte, eher unpolitische junge Frau sich mit den Nationalsozialisten zu arrangieren?
Klara hat ein mitfühlendes Herz, aber keine große Lust, sich wirklich mit dem auseinanderzusetzen, was 1933 in Deutschland passiert. Ihr ist es eher lästig, sie findet es sogar unnötig, sich eine eigenen Meinung zum politischen Geschehen zu bilden. Sie will nur durchkommen.
Ihre Ideale, ihr Frauenbild und ihre Fähigkeiten liegen außerhalb/ oberhalb der Tugenden der deutschen Frau, wie sie von Goebbels und Hitler propagiert wurden. Eigentlich hat Klara doch moderne, liberale Ansichten. Ist ganz und gar nicht der Ansicht, dass Frauen nur Gebärmaschinen für das Reich sein sollten. Und doch arrangiert sie sich und funktioniert gut als Rädchen in der Nazi-Maschinerie. Sie leitet schließlich noch sehr jung ein großes Kinderheim und nimmt ein kleines jüdisches Mädchen als ihr eigenes Kind auf.
Die Autorin bezeichnet genau das - es entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten im Leben ihrer Großmutter- nämlich die kleine Tolla - als Synonym für die Unschuld. Die Klara verliert, als sie das Kind aus Angst abgibt.
Und genau das ist auch der Grundtenor des ersten Bandes: Klaras Zerrissenheit und schlechtes Gewissen. Hat sie richtig gehandelt, indem sie im Kleinen Gutes tat, aber nie ihre Stimme gegen Unrecht erhob? War sie doch feige? Hat sie beigetragen zum Unrechtsregime?
Als über Neunzigjährige, blind und viel alleine, diktiert Klara einem Kassettenrekorder ihre Erinnerungen. Es sind die einer beherrschten, strengen Lehrerin, die es versäumt hat, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Das lastet auf ihr. Die Lektüre ist nicht nicht immer spannend, teilweise von engem Horizont geprägt. Aber sie macht verständlich, wie die Lebensrealität damals war. Alexa Hennig von Lange hat die vielen Tonkassetten ihrer Großmutter mit Achtung und Respekt bearbeitet. Ich folge ihr gerne, sollte es einen neuen Teil der Triologie der karierten Mädchen geben sollte. Ich finde es erfrischend, dass hier einmal eine Heldin eine Stimme bekommt, die menschlich und fehlbar ist. Ich denke so sind die meisten Menschen.